Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Kolumne: Morgens siehst du aus wie ein toter Clown!

Zimmer aufräumen? Häh?

Mein Sohn ist in der Schule, und ich mache gerade eine kleine Pause. Ein bisschen frische Luft würde mir sicher guttun.

Ich öffne die Fenster im Wohnzimmer und will danach noch das Zimmer meines Sohnes lüften. Die Tür stößt gegen Widerstände und ich bekomme sie nur so weit auf, dass ich gerade so meinen Körper durch den entstandenen Türspalt schieben kann. Der Türwiederstand liegt an den vielen Dingen, die ungefähr einen halben Meter hoch den gesamten Zimmerboden bedecken.

Streichholz ins Zimmer und Tür zu

Das Zimmer riecht nach lange nicht gelüftet und nach gerade versprühtem Aftershave, mit einer Nuance im Hintergrund, die mich an den Geruch von Zoos aus meiner Kindheit erinnern. Abteilung Raubtierkäfig trifft es vermutlich am besten.

Da liegen Klamotten, die ausgezogen und direkt dort hingeschmissen wurden, eine gepackte Sporttasche mit nassem Handtuch drin, schmutzige Wäsche, dazwischen Müslischalen, Pflaster und Dinge, die ich nicht eindeutig zuordnen kann. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich diese Dinge nicht kenne, oder ob sie bereits seit längerem im Verwesungsprozess sind und dadurch ihre Form verändert haben. Nein, Kakerlaken gibt es noch keine. Da bin ich ziemlich unflexibel, sobald eine Seuche ausbricht werde ich einfach ein Streichholz in das Zimmer werfen und die Tür schließen, Problem gelöst!

Auch der Schreibtisch ist nur noch als grober Umriss zu erkennen, darauf häufen sich Klamotten, Schulbücher, leere Kekspackungen Gläser und Teller. Verschimmelte Sachen zum Glück nicht, das ist meine absolute Schmerzgrenze und Leo weiß das.

Vor dem Fenster steht ein ziemlich unbenutztes Klavier und davor ein riesiges Metallgestell, an dem ein großer Boxsack hängt. Diesen Boxsack hatte sich Leo mitsamt Gestell im Internet bestellt, ohne genau zu schauen, welche Dimensionen das Gestell hat. Der Fuß des Gestells nimmt den gesamten Zimmerboden ein und es ist schwer, an dem hängenden Sack vorbeizukommen, ohne unten über das Gestell zu stürzen. Um zum Fenster zu kommen, muss ich also zwischen den Klamotten durch seitlich an dem Boxsack vorbei und dabei aufpassen, nicht auf das Klavier zu fallen, um dann mit weit ausgestrecktem Arm das Fenster zu öffnen.

Ein ganz eigener Kosmos

Puh, das wäre geschafft! Es ist ein bisschen wie Schnee schippen, hat man sich erstmal eine Schneise durch den belagerten Fußboden geschlagen ist der Rückweg etwas einfacher.

Ein Blick auf Leos ungemachtes Bett und ein ganz eigener Kosmos eröffnet sich mir: Im Bett liegt ein Laptop, Lautsprecher, ein Basketball, Stifte, Ladekabel, ein Lineal, Dartpfeile, Taschentücher und das sind nur die Dinge, die man sieht, ohne die Decke anzuheben. Ich hebe die Decke nicht an, denn ich will erstens nicht sehen, was sich da noch so alles verbirgt, noch will ich zu viel anfassen in diesem Zimmer…

Ich habe seit ein paar Jahren akzeptiert, dass mein Sohn sein eigenes Reich nach seinen Regeln pflegt und ordnet. Es gibt die Grundregel bei uns im Haus, dass einmal die Woche eine Art Grundentseuchung stattfinden muss, das bedeutet Leo muss aufräumen, schmutzige Wäsche aus dem Zimmer entfernen und staubsaugen. Dann ist plötzlich der Holzboden zu sehen! Das ist meist am selben Nachmittag nicht mehr der Fall.

Warum hält ein Jugendlicher keine Ordnung?

Was macht es für einen Jugendlichen so schwer, das eigene Zimmer in Ordnung zu halten? Ich glaube erstmal, dass meinem Sohn die Ordnung in seinem Zimmer total egal ist. Vermutlich merkt er gar keinen Unterschied zwischen aufgeräumt und unaufgeräumt. Vielleicht spiegelt das Zimmer auch das emotionale Chaos eines Jugendlichen wider. Alles ist im Umbau im Gehirn, die Hormone spielen verrückt und es gibt sooo viele wichtige Themen! Zimmeraufräumen steht da definitiv ganz hinten auf der Liste.

Wenn ich ehrlich bin, habe auch ich erst spät gelernt, dass es auch schön sein kann von Ordnung und Sauberkeit umgeben zu sein. Mein erster Mitbewohner hier in Barcelona war jedenfalls sehr viel weiter als ich in dem Thema. Ich glaube, ich habe in 5 Jahren zusammenwohnen nicht einmal die Fenster geputzt. Vielleicht ist das Fensterputzen damals vergleichbar mit dem Zimmeraufräumen meines Sohnes heute. Wenn die Fenster dann geputzt waren, habe ich mich gefreut, wie hell alle Räume waren. Mit ungeputzten Fenstern hatte ich aber damals überhaupt kein Problem.

Vielleicht ist mein Thema hier gar nicht, wie bekomme ich einen Jugendlichen dazu, sein Zimmer aufzuräumen? Sondern: wie schaffe ich es, als Mutter damit klarzukommen, dass mein Sohn im Chaos lebt und wo sind die Grenzen für mich, die ich mit ihm verhandeln muss?

Meine Grenzen verhandeln                                                                                           

Meine Grenzen sind: Ungeziefer, verschimmelte Sachen, Klamotten, die so lange feucht in Beuteln stecken, dass man sie wegschmeißen muss.

Leben kann ich mit Chaos und absolut unaufgeräumtem Zimmer, solange ich die Tür zu machen kann und es eine gewisse Grundhygiene gibt. Kakerlaken oder andere Seuchen sind auf jeden Fall nicht erlaubt. Das Chaos muss auch innerhalb seiner Grenzen, Jugendzimmer, bleiben und nicht in den Rest der Wohnung schwappen. Mit diesen Grundregeln kommt mein Sohn ganz gut klar. Zum Glück hat sein Zimmer eine Tür, die ich schließen kann, um diesen Teil der Wohnung nicht zu sehen. Ich glaube, es ist wichtig für ihn, irgendwann selbst zu merken, dass Ordnung im Zimmer auch schön und hilfreich sein kann. Um Dinge zu finden, zum Beispiel.

Im Internet lese ich von Eltern, die sagen, seitdem sie sich gar nicht mehr einmischen, räumt das Kind jetzt von alleine auf. Diese Taktik hat bei mir auf jeden Fall überhaupt nicht funktioniert. Ich glaube, dass mein Sohn im Moment auch bei Nichteinmischung meinerseits ganz zufrieden ist inmitten seiner Unordnung. Wieder einmal geht es darum, mich rauszuhalten, abzuwarten und die Hoffnung nicht ganz zu verlieren. Und ab und zu mal die eigenen Fenster zu putzen, das mach ich auch heute noch äußerst ungern, freue mich aber hinterher sehr über das viele Licht in der Wohnung.

  1. Greg

    Bei 3 Geschwistern hat eine Mama es leichter. Da wird es mal richtig laut im Zimmer und dann hat jede ihre Klamotten gefunden und in den Schrank geräumt . Wenn es gut geht!

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