Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Pfeilsenderstories

Was machst du an deinem Geburtstag?

 „Im Sommer Geburtstag haben ist schön“, finden viele Menschen. Ich gebe zu, es hat gewisse Vorteile, vor allem in jungen Jahren. Ich denke da an die Schatzsuche bei den Gartengeburtstagen als Kind. Der Moment, wo meine Mutter die leckeren Kuchen mit einem großen Messer in gleiche Stücke schnitt. Topfschlagen draußen auf der Wiese und Sackhüpfen. Ein Wettrennen mit einem Löffel im Mund, mit einem harten Ei darauf war auch immer sehr lustig. Und dann der große Moment, beschenkt zu werden, herrlich! Wie wunderbar waren die Picknicks im Stadtpark zu Studentenzeiten! Sie fingen nachmittags an und endeten am späten Abend. Ich trug in einem Campingrucksack Kuchen, Getränke und alle brachten irgendetwas mit. Ich erinnere mich auch an eine Kanufahrt auf der Fulda in Kassel mit Freund*Innen und Familie. Ende Juni, schien fast immer die Sonne und alles ist möglich. Je mehr Freunde kamen, umso besser, nichts war mir zu viel.

Wen lade ich ein?

Jetzt wohne ich in einer kleinen Wohnung mit wunderbarer Aussicht, aber ohne Balkon. Mehr als 6 Leute einladen, ist bereits eine kleine Herausforderung. Bei der Sommerhitze hier in Barcelona ist es einfach nur anstrengend. Wenn sich heutzutage mein Geburtstag nährt, denke ich meist: „Oh je, was mache ich dieses Jahr? Wen lade ich ein? Wenn ich diese Freundin einlade, muss ich auch diesen Freund einladen. Je mehr ich darüber nachdenke, umso größer wird der Kreis der Menschen, die alle kommen werden. Ich sehe all diese Menschen in meiner kleinen überhitzten Wohnung und ich muss mich erstmal erschöpft auf mein Sofa setzen. Ein Picknick im Park um die Ecke vielleicht? Bei der Idee, für viele Menschen ein Picknick vorzubereiten und alles alleine in den Park zu transportieren, komme ich ins Schwitzen. Auf die Idee mir helfen zu lassen komme ich nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Heute denke ich manchmal, dass es bei einem Wintergeburtstag bessere Ausreden gäbe, um nicht zu feiern, wenn man keine Lust hat.

„Ich wollte eine Geburtstagswanderung mit anschließendem Picknick mit euch machen, aber leider ist Dauerregen angesagt, wie schade!“ Könnte ich dann sagen.

Paare einzeln und bitte keine Kinder!

Es gibt Paare, bei denen ich am liebsten nur den einen oder die andere einladen würde. Aber bei befreundeten Paaren den Teil des Paares aussuchen, mit dem man lieber feiern möchte? Geht das? Ich habe mich das noch nicht getraut. „Diesmal feiere ich ohne Kinder.“, ja, das kann man inzwischen sagen, wenn man nicht plötzlich 12 Erwachsene und 16 Kinder zu Hause haben möchte. Als mein Sohn kleiner war, kamen zu meinem Geburtstag auch die Kinder meiner Freund*Innen. Diese waren auch mit meinem Sohn befreundet und so konnte man kaum meinen Geburtstag von seinem Kindergeburtstag unterscheiden. Wir Eltern waren dann meist damit beschäftigt, Streits zu schlichten, umgekippten Saft aufzuwischen und das Büfett aufzufüllen. 16 hungrige Kinder gehen über ein Büfett wie ein Schwarm Heuschrecken. Alles Leckere ist sofort weg!

Die inzwischen jugendlichen Kinder wollen nicht mehr zu Geburtstagen der Freundinnen ihrer Eltern kommen. Meinen eigenen Sohn kann ich an meinem Geburtstag nur dann treffen, wenn ich einen guten Vorschlag mache, der mit Essen zu tun hat. Aber wie kann es sein, dass ich in meinem fortgeschrittenen Alter immer noch Schwierigkeiten habe, mir meine Geburtstage genau so zu gestalten, wie ich Lust habe?

Zwei Wochen vor meinem Geburtstag bekomme ich die ersten Anfragen: „Was machst du denn an deinem Geburtstag, Steffi?“ „Keine Ahnung, vielleicht mache ich diesmal gar nichts, Montag ist ja auch ein schlechter Tag zum Feiern.“ Antworte ich. Erstmal den Ball flach halten und dann kann ich mir immer noch spontan überlegen, was ich machen will. Dieses Jahr habe ich mir sehr viel Zeit gelassen mit der Entscheidung. Das Risiko dabei ist, dass niemand so spontan kommen kann.

Haben wir genug Geld, um ans Monatsende zu kommen?

Am frühen Morgen meines Geburtstags fahre ich mit dem Fahrrad zum Meer und schwimme eine Runde. Eine Art Taufe des neuen Lebensjahres. Der „Frutero“ (auf Deutsch „Obstverkäufer“) aus dem Obst und Gemüseladen meines Vertrauens ist der erste Mensch, den ich an meinem Geburtstag treffe. Er gratuliert mir herzlich und ich darf mir ein paar extraleckere Kirschen nehmen.

Mittags bin ich mit Leo, meinem Sohn, essen gegangen. Ausnahmsweise habe ich dem 17-jährigen erlaubt, sich ein alkoholisches Getränk zu bestellen. Hier in Spanien ist Alkohol trinken offiziell erst ab 18 erlaubt. Jeder von uns hat ein Glas Wein zum Essen bestellt, aber der Kellner brachte uns eine ganze Flasche! Es wurde ein sehr ausgelassenes und lustiges Essen mit meinem Sohn. Um ein bisschen ins Gespräch zu kommen, hatte ich die Idee, jede/r darf ein paar direkte Fragen stellen und der/die andere muss antworten. Bei sehr unangenehmen Fragen darf man „weiter“ sagen. Mein Sohn wollte nicht wirklich viel von mir wissen, sodass ihm nur eine Frage einfiel: „Haben wir genug Geld, um bis ans Monatsende zu kommen?“ Was für eine krasse Frage! Ich glaube, ich sollte aufhören, über Geldknappheit zu reden, wenn Leo dabei ist. Mein Sohn denkt, es gäbe bald nichts mehr zu essen zu Hause! Er selber hat bei meinen Fragen viel Gebrauch von dem Wort „weiter“ gemacht, sodass ich nicht wirklich viel Neues erfahren habe. Trotzdem war es ein schönes und lustiges Essen, ganz anders als die Routinemahlzeiten zu Hause.

Ein schöner unspektakulärer Tag

Am frühen Abend gab es dann doch noch ein kleines improvisiertes Picknick im Park zu viert. 3 Freund*Innen kamen, die ich lange nicht gesehen hatte, wie schön! Es war weder anstrengend noch zu heiß im Schatten einer Palme. Nach zwei Stunden fing es dann nach Wochen zum ersten Mal zu regnen an und wir verabschiedeten uns.

Wie schade, ich hätte gerne noch ein bisschen länger zusammen gesessen bei Sekt, Orangensaft, Obst und Brownies. Vermutlich ist es egal, ob du im Sommer oder im Winter, im Herbst oder Frühling Geburtstag hast. Das Schöne an meinem improvisierten Geburtstag war, dass er gar nicht anstrengend war, wie in meiner Vorstellung. Es war einfach nur ein schöner Tag, ein bisschen mit mir alleine und ein bisschen mit Menschen, die mir nah stehen.

Vielleicht mache ich nächstes Jahr eine große Party, vielleicht auch eine Bootsfahrt. Oder ich gehe alleine in ein Schweigekloster für ein paar Tage.  Vielleicht mache ich auch ein Fest mit dem Motto „bei Paaren darf nur einer kommen“, mit dem Risiko, dass der Teil kommt, den ich weniger mag. Ich werde es spontan entscheiden.

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