Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Kolumne: Morgens siehst du aus wie ein toter Clown!

Ups, ein Loch in der Wand!

Ein Donner wie bei einem Erdbeben reißt mich aus meiner Lektüre. Was ist passiert? Geht es meinem Sohn gut? Ich renne in sein Zimmer. Was ich sehe, fällt meinem Verstand erstmal schwer einzuordnen:

Mein Sohn liegt quer auf seinem Bett (Das Bett steht in einer Nische zwischen zwei Wänden) und da wo seine Beine sind, ist ein riesiges Loch in der Wand, mindestens einen halben Meter groß! Überall auf dem Bett verteilt liegen Bruchstücke dieser Wand, die noch vor 5 Minuten eine glatte, weiße und unschuldige Wand war. Mein Radar hat inzwischen festgestellt, meinem Sohn geht es gut, in seinem Gesicht lese ich die Information: Scheiße, das wollte ich nicht! Haben Aliens die Wand zertrümmert? Mein Verstand schafft es nicht alleine, die Situation zu analysieren:

Ist die Wand explodiert?

Sind Aliens gekommen, kurz aus dem Raumschiff ausgestiegen, haben die Wand zertrümmert und sind wieder abgereist? Ich vermute, auch Leo versucht sich im Moment irgendeine absurde Geschichte dazu auszudenken, merkt dann aber schnell, dass es keine Möglichkeit für ihn gibt, nicht von mir mit dem Loch in der Wand direkt neben seinen Füßen in Verbindung gebracht zu werden.

“Was in aller Welt ist hier gerade passiert?” Frage ich mit dem vorwurfsvollen Ton einer geschulten Mutter.

“Ich habe gerade ein Handyspiel verloren und war wütend, da habe ich gegen die Wand getreten und plötzlich war das Loch in der Wand…”

“Du hast mit Strümpfen so fest gegen die Wand getreten, dass da jetzt ein riesiges Loch ist?”

Ich kann es immer noch nicht fassen, aber ich sehe es ja. Das Loch ist der Beweis und es liegt auch kein Vorschlaghammer neben meinem Sohn, es war tatsächlich einfach nur sein großer Fuß! Ist er als Kind wie Obelix in einen Zaubertrank gefallen, was ihm jetzt übernatürliche Kräfte verleiht?Ich gebe zu, Rigips ist nicht gerade das stabilste Material, doch was für Kräfte walten da in meinem Sohn?

Wie immer versuche ich ihm erstmal klarzumachen, dass er hier mal wieder so richtig blöden Scheiß gemacht hat! Das muss repariert werden, wird teuer usw. Er kommt wieder mit seinem: „Ich bezahl das.“ Super, mein reicher Sohn! Woher hat er eigentlich das viele Geld? Ach ja, von mir…

Jetzt ist Annehmen der neuen Situation gefragt, Geröll aufräumen, Handwerker müssen gefunden werden…

3 Handwerker kommen, um ein Loch zu reparieren!

Tage später kommen die Handwerker, die sowieso gerade hier im Gebäude zu tun haben. Sie kommen zu dritt, ein Chef und zwei Arbeiter, das ist Spanien! Um ein Rigipsloch zu reparieren braucht es 3 Menschen? Ein Loch, was ein Kind in einer Sekunde in die Wand getreten hat? Der Chef, der lässig auf dem Schreibtisch meines Sohnes sitzend die Anweisungen gibt und selbst nicht arbeitet, sieht aus wie ein Kinokritiker in den 60ern: klein, Bauchansatz, schwarz umrandete eckige Brille, die sehr weit unten auf seiner Nase sitzt.

An den Fußball- und Star Wars- Postern im Zimmer meines Sohnes scheint dieser Handwerksintelektuelle sofort zu merken, dass hier ein Jugendlicher wohnt. Um die Handwerker nicht zu stören halte ich mich im Wohnzimmer auf. Nachdem ich lautes Lachen aus dem Kinderzimmer höre schaue ich nach, was denn da so lustig sei.

Mehrere Varianten, wie Jugendliche aus Versehen Wände zertrümmern

Der Chef sagt mir, dass sie gerade den Tathergang nachkonstruiert haben und informiert mich, dass sie ständig Rigipslöcher von Jugendlichen produziert, reparieren. Es gibt die verschiedenen Varianten:

Gegen die Wand treten, gegen die Wand boxen, Gegenstände gegen die Wand werfen, oder einfach nur das Skateboard mit jugendlichem Schwung gegen die Wand donnern. Mein Gefühl von Scham überwindend erzähle ich den 3 Männern, wie dieses Loch in die Wand kam. Der Chef nickt verständnisvoll und irgendwie auch anerkennend. Schön zu wissen, dass es da draußen noch viel mehr Mütter und Väter gibt, die vielleicht genau in diesem Moment vom Sofa aufschrecken, weil ihr Nachwuchs gerade auf wundersame Weise die Rigipswand zertrümmert hat.

Selbsthilfegruppen für Eltern…

Ich rufe euch zu: Ihr seid nicht alleine! Und: es wird der Tag kommen, an dem auch dieses Loch in der Wand repariert ist! Ich möchte eine Selbsthilfegruppe gründen von Eltern, deren Kinder aus Versehen Rigipswände kaputtmachen. Wir treffen uns zum Reden oder machen gemeinsam Workshops, wo wir lernen, Löcher in den Wänden zu reparieren. Ich könnte den intellektuellen Handwerkerchef fragen, ob er uns anleiten möchte und dann gehen wir zu dritt in die Wohnungen der Geschädigten.

Wir könnten ein Notfalltelefon einrichten, Achtsamkeitsseminare für Jugendliche veranstalten: „Persönliche Limits und die meines Zimmers erkennen“. Der Alltagsrealismus holt mich ein und ich merke, dass wohl doch jeder selbst die Verantwortung für sein Loch in der Wand tragen muss.

Wollte sich Leo mit der Klobürste die Zähne putzen?

Dazu fällt mir eine Geschichte aus Leos Babyzeit ein. Ab dem Tag, als mein Sohn sich alleine krabbelnd fortbewegen konnte, musste bei uns zu Hause alles, was in seiner Reichweite war, in Sicherheit gebracht werden.

Moment: müssen nicht die Kleinen vor den Dingen, bei denen sie sich weh tun können in Sicherheit gebracht werden? Ich glaube, bei uns war es umgekehrt! Sogar die Klobürste haben wir höher gehängt, weil mein Sohn wie ein Blitz krabbelnd ins Bad schoss, sich die Klobürste schnappte, vermutlich um sich damit die Zähne zu putzen, wir haben es nicht so weit kommen lassen.

Nein, Leo war kein Kind, was in seinem Stühlchen sitzend eine Rassel minutenlang hin und her bewegte, oder eine Ameise auf dem Boden verträumt mit den Augen verfolgte. Bei diesen Babys wurden meine Augen feucht vor Rührung. Wie schön muss es sein, in Ruhe neben dem eigenen Kind einen Kaffee zu trinken, ich kannte das nicht. Er war immer in Bewegung und wollte neue Abenteuer. Irgendwie wollte er dauernd etwas: auf den Arm, essen, ausräumen, irgendwo anders hin, keine Ahnung was er sonst noch alles wollte, denn er konnte ja noch nicht sprechen.

Nur für Sekunden aus dem Raum gehen war ein Risiko, denn selbst wenn alle Balkontüren geschlossen und alle Steckdosen gesichert waren, fand mein Sohn die kleinste Sicherheitslücke, die wir irgendwo übersehen hatten.

Kleine Kinder, kleine Löcher in der Wand

Auch damals ging es bereits um das Thema Wände: Ich war kurz auf die Toilette gegangen, mein Sohn krabbelnd im Wohnzimmer und plötzlich wurde es leise. Kalter Schweiß trat auf meine Stirn, leise war mein Sohn nie! Immer kamen Geräusche aus seinem Mund, lachen, brüllen, brabbeln, selbst sein Atmen war irgendwie laut.

Mit offener Hose renne ich aus dem Bad und sehe meinen kleinen Sohn, der es geschafft hatte, lockere Steinchen aus der Wand (diesmal kein Rigips) mit seinen kleinen Fingerchen zu entfernen und diese zum Bemalen der großen, schwarzen Boxen der Stereoanlage zu benutzen. Er hatte bereits die Hälfte einer Box angemalt und als er mich sah, juchzte er vor Freude! Ja, das war mein Sohn, unglaublich in welcher Geschwindigkeit er diese lockeren weißen Steinchen entdeckt und sofort gemerkt hatte, dass man mit Weiß am besten auf Schwarz malt, damit man es hinterher schöner sieht.

Mein schlauer Sohn, ich war stolz auf ihn! Handwerker mussten in diesem Fall nicht kommen, und irgendwann war sowieso die Zeit der großen Boxen und dieser brüchigen Wohnung abgelaufen.

  1. Fritzchen

    Sehr interessante Geschichte. Ähnliches ist einem Freund von mir auch passiert. Du bist cool geblieben . Bei ihm gab es 1 Woche Handyverbot!
    ich freue mich auf weitere Vorkommnisse, heitere oder komische.

Schreibe eine Antwort