So, jetzt ist es auch mir passiert. Ich bin einem ausgefeilten Betrügertrick in die Falle gegangen. Vor ein paar Tagen bekam ich eine WhatsAppnachricht mit einer Telefonvorwahl aus Marokko. In dieser freundlichen Nachricht auf Spanisch wurde ich gefragt: „Rate mal, wer ich bin?“ Ich kenne genau eine Person aus Marokko, somit war das raten nicht schwer.
Rate mal, wer ich bin?
„Moha, bist du das?“ „Ja“, antwortete mir auf der anderen Seite der vermeintliche Moha. „Lange haben wir nichts mehr gehört, ich habe viel an euch gedacht.“
Moha kannten wir von einer Reise vor 5 Jahren, wo er unser Guide durch die Wüste Marokkos war. Da ich und mein Sohn alleine mit ihm reisten, haben wir ihn in dieser Woche intensiv kennengelernt. Moha ist ein sehr kultivierter, freundlicher Mann, der fließend Spanisch spricht und tatsächlich hatten wir unsere Telefonnummern ausgetauscht. So war es keine Überraschung für mich, dass er mir per WhatsApp eine neue Nummer schicken wollte. Immerhin hatte ich auch bei Freunden von mir Werbung für ihn und seine wunderbaren Wüstentouren gemacht.
Nach einer freundlichen Einleitung sagte er, es wäre ihm sehr unangenehm, aber er müsse mich um einen Gefallen bitten. Ich war etwas verunsichert, denn wir hatten uns 5 Jahre nicht gesehen. Gleichzeitig war ich verwundert, denn der Moha, den ich kannte, war keiner, der mich um einen Gefallen bitten würde.
Ein Gefallen für einen alten Bekannten
Umständlich erklärte er mir, er wäre auf einer Reise nach Bolivien wegen eines Problems mit den Papieren aus dem Flugzeug geholt worden. Er säße jetzt in der Transitzone fest und sein Gepäck sei auf dem Weg nach Spanien. Hier hätte ich bereits merken können, dass er nicht Barcelona gesagt hat, sondern Spanien. Er bat mich, sein Gepäck, was bereits im Flieger war, am Flughafen abzuholen. Ich hatte an dem Tag überhaupt keine Zeit und sagte ihm, ich könne nicht zum Flughafen fahren. Daraufhin sagte er mir, er hätte meine Nummer einer Kontaktperson am Bolivianer Flughafen gegeben, der mit mir die Details klären würde.
Ich war gerade dabei, eine leckere Pizza in den Ofen zu schieben, mein Sohn würde in 20 Minuten nach Hause kommen und irgendwie nervte mich alles bereits. Dann die WhatsAppnachricht vom Flughafen in Bolivien. Ein Bolivianer meldete sich mit den Worten: „Ein Freund von Ihnen hat uns ihren Kontakt gegeben, um das Gepäck am Flughafen abzuholen.“ Ich teilte ihm mit, keine Zeit zu haben, zum Flughafen zu fahren, woraufhin er sagte, ich solle ihm meine Adresse geben, sie würden das Gepäck zu mir nach Hause schicken. Ich versicherte mich noch, dass ich keine Unkosten dafür tragen würde und die Person an der anderen Seite sagte, das sei alles kostenfrei für mich, ich müsse nur das Gepäck entgegennehmen. Er bräuchte noch meine Adresse und das Foto meines Personalausweises. Für mich machte das Sinn, weil die Fluggesellschaft die Daten der Person braucht, die letztendlich das Gepäck entgegennimmt.
Alles geklärt dachte ich, mir wurden sogar noch ein Foto der 2 Koffer zugeschickt und ich sollte es an Moha weiterleiten, um sicherzugehen, dass die richtigen Koffer verschickt werden. Moha war erleichtert und dankte mir freundlich für die große Hilfe. Sobald er in Barcelona sei, würde er das Gepäck dann bei uns abholen.
13.500 Euro im Koffer!
Dann eine Nachricht von Moha: In einem der beiden Koffer hätte er 13.500 Euro und er sei so erleichtert, dass jetzt alles geregelt sei. Falls ich irgendwelche Unkosten mit der Verschickung hätte, solle ich das bitte für ihn auslegen, er zahle mir dann alles, wenn er das Gepäck abholt. 13.500 Euro? Wer nimmt denn so viel Geld im Koffer mit? Mir war klar, das ist nicht erlaubt ist, so viel Geld unangemeldet dabeizuhaben beim Reisen.
Zeitgleich eine Nachricht vom Flughafen Bolivien: Sie hätten die Koffer durchsucht und in einem der beiden 13.500 Euro gefunden. Somit seien für den Zoll 500 Euro zu bezahlen. Da ich jetzt die Verantwortliche für das Gepäck sei, müsse ich das bezahlen. Mir wurde heiß und kalt zugleich. 500 Euro? Das war nicht unsere Absprache.
Die bolivianische Fluggesellschaft droht mir mit Polizei
In meiner Küche roch es inzwischen nach leckerer Pizza, mein Sohn musste jeden Moment ankommen. Dann der Anruf aus Bolivien: Der Zoll in Barcelona sei bereits informiert und hätte meine Daten und ich solle bitte umgehend per Kreditkarte den Betrag bezahlen. Falls ich nicht bezahle, würde ich mich strafbar machen. Hier fing ich an richtig wütend zu werden: „Wir hatten ausgemacht, es gebe keine Unkosten für mich und ich werde keinen Pfennig dafür bezahlen!“ schrie ich ins Telefon und legte auf.
Daraufhin bekam ich ein Foto von meinem Personalausweis geschickt und die Nachricht, dass die Guardia Civil (Spanische Polizei) bereits informiert wurde und diese auf dem Weg zu mir seien.
In meiner Küche roch es inzwischen verbrannt, ich rief wieder in Bolivien an. „Verbinden Sie mich sofort mit ihrem Vorgesetzten!“ Ich wartete eine Minute und ein Mann stellte sich als der Chef der bolivianischen Fluggesellschaft vor. Es täte ihm sehr leid, aber meine Daten seien bereits im System, nach Barcelona weitergeleitet und ich sei offiziell für dieses Gepäck verantwortlich. An meiner Stelle würde er das Geld bezahlen und ich würde mir eine Menge Ärger sparen.
Ein schockierter Sohn und eine verkohlte Pizza
In der Tür stand mein Sohn, der mit erschrockenem Gesicht verfolgte, wie ich den Chef der Fluggesellschaft verfluchte und ihm sagte, ich würde nun ebenfalls die Polizei in Barcelona verständigen. Das hatte ich nicht wirklich vor, es klang aber irgendwie gut.
Mein Sohn holte eine halb verbrannte Pizza aus dem Ofen und legte sie auf unsere Teller. Ich rief bei Moha an, und wollte ihm sagen, dass er bitte beim Flughafen anrufen sollte, um diesen mitzuteilen, dass ich nicht für sein Gepäck verantwortlich sei.
In der Aufregung wählte ich Mohas alte Telefonnummer. Dieser meldete sich freundlich und überrascht. „Stefanie, wie schön von dir zu hören, ist alles ok bei euch?“ Irritiert über diese Ruhe, fragte ich: „Bist du nicht in der Transitzone am bolivianischen Flughafen? Jetzt war es an Moha irritiert zu sein: „Ich sitze in meiner Heimatstadt Todra im Süden Marokkos und bin am Arbeiten.“
Er schickte mir noch einen Screenshot unseres letzten Gesprächs und tatsächlich war das ungefähr vor 2 Jahren, als ich Freunde zu ihm schicken wollte.
Um ein Haar…
Kurz erklärte ich ihm die Situation und er versicherte mir, er habe absolut nichts damit zu tun und habe auch keine neue Telefonnummer. Moha vermutete, ich sein einem Trickbetrug auf den Leim gegangen. Ich verstand erstmal gar nichts und merkte erst nach und nach, dass die ganze Geschichte erfunden und gelogen war. Ich selbst hatte dem Unbekannten einen Namen gegeben. Dieser hatte psychologisch klug Allgemeinsätze gesagt, die alle zu der Person passten, die ich kannte. Die Bolivianer, die sich als Flughafenpersonal ausgeben, spielen mit der Angst der Menschen, sich strafbar zu machen. Viele bezahlen am Ende, in der Hoffnung das Geld dann schnell zurückzubekommen. Ich war kurz davor, oh je!
Nachdem ich mit meinem Sohn die steinharte, halb verbrannte Pizza gegessen hatte, fuhr ich total aufgeregt zur Polizei. Ich wollte die Betrüger anzeigen, angeben, dass diese meine Papiere als Foto haben und vor allem deren Telefonnummern weitergeben. Der gutaussehende junge Polizist war sehr freundlich, teilte mir aber mit, dass die Anzeige in meinem Falle keinen Sinn mache, denn: Der Geldbetrug hätte ja nicht stattgefunden. Ich dachte, die Polizei sei sehr interessiert an den Telefonnummern der Betrüger und meiner Geschichte, aber dem war nicht so.
Bolivianische oder marokkanische Telefonnummern können von hier nicht identifiziert werden und meist benutzen die Betrüger prepaid Telefone, die zu keinen persönlichen Daten führen. Der Gepäcktrick war ein polizeibekannter Trick. Ich gehe mit zitternden Knien aus der Polizeiwache. Mir ist schlecht und ich habe das Gefühl um ein Haar viel Geld verloren zu haben. Aber ich bin nicht nur erleichtert, ich fühle mich auch betrogen, besonders weil ich eingangs so vertrauensvoll war.
Inzwischen bin ich nur noch froh, dass alles nochmal gutgegangen ist und werde auf jeden Fall nicht mehr raten, wenn eine unbekannte Nummer mich fragt: „Rate mal, wer ich bin?“ Ich hoffe aber trotzdem, dass ich nicht grundsätzlich hinter jeder Bitte um Hilfe einen Betrug vermute, sondern etwas von dem Glauben an das Gute im Menschen behalte.
Wenn ich jeden Schritt des Betrugs nochmal durchdenke, muss ich sagen: „Hut ab, vor diesem ausgefeilten System!“ Am meisten tut es mir leid um die leckere Pizza!
Schreibe eine Antwort