Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Pfeilsenderstories

Mit toten Fischen baden

Meine letzte Geschichte ist bereits ein paar Wochen her und ich vermute, dass ich auch in Zukunft wenig Zeit zum Schreiben haben werde.

Mein Knie hält mich mehrere Stunden am Tag auf Trab, wobei der Ausdruck nicht ganz stimmt, denn von Trab kann gerade keine Rede sein. „Ohhh schnarch, jetzt erzählt die Tante von ihren Wehwehchen, wie öde ist das denn?“ Denkt ihr sicher jetzt. Nein, ich werde euch nicht damit langweilen, nur soviel Konkretes zu meiner momentanen Situation: „Ich bin in der Rubrik: mittelalte Damen mit Körperteilen, die sich abgenutzt haben. Keine Lebensgefahr im Spiel!“

Ersatzteile für meinen Körper nein Danke!

Mein Orthopäde findet so langsam müsste man bei mir Körperteile durch neue ersetzen, wie bei einer alten Waschmaschine. Ich würde das gerne noch ein bisschen aufschieben und tue viel dafür. Mit meinem Freund Luis habe ich das worst case bereits besprochen. Falls ich am Ende eine Knieprothese bekomme, die beim Laufen quietscht, verkleiden wir uns beide als Figuren aus Star Wars. So denken die Menschen auf der Straße, das Quietschen gehört zu unserer Verkleidung.

Über meine geheime und neue Anfälligkeit für harmlosen Aberglauben will ich heute schreiben. Ich laufe nach wie vor mit einer Krücke herum und irgendwie sprechen mich mehr Menschen an als ohne die Krücke. Im Schwimmbad, beim Einkaufen, im Bus. Ich glaube, die Krücke macht mich irgendwie sympathischer oder zugänglicher. Ich bin auch zugänglicher geworden und auf jeden Fall dankbar für die richtig guten Ratschläge. Falls nachher im Bus jemand zu mir sagt: „Knieprobleme? Das hatte meine Schwägerin auch und dann hat sie jeden Tag einen Eimer tote Fische in die Badewanne geschüttet und sich reingesetzt. Nach zwei Wochen war sie geheilt!“

Ich glaube dieser Person. Mich treibt die Hoffnung auf ein Wunder. Heimlich, inkognito, mit großer Sonnenbrille würde ich im nächsten Fischladen einen Eimer toter Fische kaufen. Meine ganze Wohnung würde danach riechen, und ich würde mit großer Überwindung zwei Wochen lang dieses besondere Fischbad nehmen. Keine Sorge, ich tue es nicht, allerdings nur deshalb, weil es mir bisher niemand geraten hat.

Gute Ratschläge von allen Seiten

Meine Wohnung sieht gerade aus wie ein Fitnessstudio: Ein großer lila Gymnastikball liegt im Weg herum und kullert immer dahin, wo er gerade am meisten stört. Daneben liegt ein kleiner grüner Massageball mit Spitzen daran, so eine Art mittelalterlicher Morgenstern zum Massieren. Gewichte mit Klettverschluss und Gummibänder schmücken meine Wohnung. Jedes Mal, wenn mein Physiotherapeut mir eine neue Übung zeigt, bestelle ich mir sofort danach die Hilfsmittel dafür. Dass ich noch keine Magnettherapieröhre oder Elektromaschine und ein statisches Fahrrad in der Wohnung habe, liegt an Platz- und Geld-mangel. Alles andere habe ich hier. Schwimmen ist gut für mich, sagen alle. Ich schwimme fast jeden Tag, manchmal auch im inzwischen kalten Meer, denn das Salz heilt.

Die Arzthelferin meines Hausarztes sagt mir, dass Epsomsalz besonders gut sei und ihren Fuß geheilt habe. Ich bestelle einen Sack mit 10kg dieses Salzes, denn man braucht 1 kg davon pro Badewanne. „Ja, ja, im Meer schwimmen ist gut, aber die Osmose des Körpers ist noch effektiver im Ruhezustand!“ findet auch die Frau beim Bäcker, deren Mann Hüfte hat. Das heißt für mich: „Raus aus dem Meer, rein in die Badewanne!“

Kurkuma nur mit Pfeffer bitte!

Nach der Physiotherapie und Schwimmen im Freibad buche ich eine Sitzung bei meiner Freundin. Sie ist Naturheilkundlerin und kennt sich extrem gut mit Ernährung aus.

Mich erwartet ein Monat Detox ohne Milchprodukte, Gluten, Alkohol und Zucker. Entzündungsfördernde Lebensmittel fallen ebenfalls weg. Leider ist die Tomate dabei. Ich liebe Tomaten, aber auch das mache ich tapfer mit. Weiß eigentlich irgendjemand, was Gluten eigentlich ist? Und: hat uns Gluten auch schon geschadet, als wir noch nicht wussten, dass Gluten uns schadet?

Egal, ich mache alles mit. Wenn es helfen kann, werde ich es ausprobieren. Es ist inzwischen 15.00 und ich habe noch nicht gearbeitet. Ich lege mir ein Eispad aufs Knie. Oder sollte ich erstmal etwas Heißes darauflegen, wie mir das die Sportphysiotherapeutin geraten hat? „Das Eis nie mehr als 10 Minuten!“ Rät mir Eva, die einen Motorradunfall hatte. „Sonst gewöhnt sich das Knie daran!“

Kurkumapräparate soll ich ebenfalls nehmen. Meine iranische Freundin Sanaz sagt: „Kurkuma hilft nur in Kombination mit schwarzem Pfeffer!“ Habe ich jahrelang umsonst Kurkuma zu mir genommen? Ab jetzt jedenfalls haue ich schwarzen Pfeffer überall dazu, wo Kurkuma drin ist. Wenn mir jemand sagt, das ganze muss bei Vollmond zubereitet werden, während man einer schwarzen Katze den Nacken krault, werde ich auch das tun.

Die Naturheilkundlerin sagt mir, ich solle jeden Tag ein Pilzpräparat zu mir nehmen, was meine Beweglichkeit wieder in Gang bringen wird. Ich bin begeistert, dass es Pilztabletten gibt, die mich auf wundersame Weise heilen werden! Ich sehe den Preis der Pillen und meine anfängliche Begeisterung wird gemildert. Sollte ich es doch nicht kaufen? Aber was passiert, wenn mir gerade dieser Baustein noch fehlt? Ich werde auch das ausprobieren! Zur Not nehme ich einen Kredit auf.

Mentale Selbstheilung, ich lese mal rein…

16.30 und ich habe immer noch nicht gearbeitet. Auf meinem Nachttisch liegt ein Buch, in dem ich gerade lese. Das hat mir die Bademeisterin meines Schwimmbads empfohlen. Es geht darum, wie die Gedanken, die körperliche Heilung beschleunigen können. Die Placebo-Studien darin finde ich sehr interessant. Menschen, die glauben eine Medizin zu sich zu nehmen und mit einem reinen Placebo (eine Medizin, die nur aus Glucose besteht) vollständig genesen. Es gibt auch das Gegenteil davon. Menschen, die bei einer Fehldiagnose oder Verwechslung denken, sie seien unheilbar krank und daran sterben. Hinterher stellt sich heraus, sie waren kerngesund. Das ist ja nun echt mal dumm gelaufen, wie krass! Sehr interessant diese Studien, ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich mit der Kraft meiner Gedanken alle Baustellen bei mir wieder heile bekomme. Gute Gedanken sind aber auf jeden Fall immer eins: gut! Also kann auch dieses mentale Training nicht wirklich schaden. Ab Morgen werde ich jeden Tag meditieren.

Osteopathen und Stammzellentherapie

Ein Mitsänger in meinem Chor ist Osteopath und natürlich buche ich eine Sitzung bei ihm. Er ruckelt und drückt an den verschiedensten Stellen meines Körpers und hinterher laufe ich viel besser.

Verrückt, was die Osteopathen können! Mein Sohn hatte als Kind oft Kopfschmerzen und eine Kinderosteopathin hat ihn dann auf der Liege ganz leicht am Hinterkopf angefasst. Er ist dabei regelmäßig eingeschlafen und nach wenigen Sitzungen war mein Sohn seine Kopfschmerzen los!

Am Abend ruft mich eine Freundin an, um mich zu informieren, dass sie einen Arzt kennt, der eine Stammzellentherapie am Knie macht und sie mir einen Infotermin besorgen kann. Das Ganze soll sehr teuer sein, wirkt allerdings nicht bei jedem Menschen gleich gut. Aha, sage ich interessiert und leicht überfordert. Ich sage zu und bekomme am nächsten Tag einen Termin.

Laub wegfegen

Es ist 19.00, ich habe immer noch nicht gearbeitet und bin total erschöpft. Vielleicht wäre es gut für mich, einfach mal eine Pause zu machen. Die Beine hochlegen und ein Buch lesen. Ein Buch über das Leben auf einer einsamen Insel wäre schön. Mit langen Naturbeschreibungen. Vielleicht schaue ich einfach aus dem Fenster. Versteht mich nicht falsch, ich bin sehr froh, das große Glück zu haben, medizinisch gut versorgt zu sein. Wählen zu können, zwischen den vielen Alternativen, die es für mich gibt. Vielleicht ist es gut für mich, einfach mal durchzuatmen. Dinge zu tun, die nicht so viel Sinn machen. Zum Beispiel, einen Weg mit Laub immer wieder zu fegen, auch wenn direkt wieder Laub von den Bäumen darauf fällt. Das habe ich einmal in einer Dokumentation gesehen von einem buddhistischen Kloster. Einer der Mönche stand jeden Tag um 5.00 morgens auf, um stundenlang das Laub wegzufegen. Das war seine Aufgabe, jeden Tag aufs Neue.

Falls ich in den nächsten Wochen keinen neuen Text ins Netz stelle, dann stellt euch einfach vor, dass ich gerade Laub wegfege. Vielleicht kommt ihr auch zu Besuch und wundert euch über den Fischgeruch in der Wohnung. Ich bin dann vermutlich für einen Moment abgetaucht in meiner Badewanne.

  1. Frederike

    Du schreibst so positiv über Deine negativen Erlebnisse. Es wird Dir auf jeden Fall helfen, sie zu überwinden. Oder es kommt ein alter weiser Mann, der Dir das richtige Mittel zur Rundumerneuerung gibt.

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