Westernlandschaft im Süden Barcelonas
Es ist 7.00 morgens, draußen wird es gerade hell und ich höre Vogelgezwitscher von draußen. Manchmal wird es kurz still und ich merke, dass es lange her ist, dass ich von Stille umgeben war. Nicht mal der Kühlschrank macht Geräusche.
Wir sind aufs Land gefahren, in das Familienhaus eines Freundes in einem Dorf in den Bergen südlich von Barcelona im Landesinneren. Wenn ich aus dem Haus gehe, sehe ich eine Landschaft, die einer Filmkulisse gleicht. Auf der einen Seite inmitten von Zypressen ein Kloster am Fuße eines Berges, auf der anderen riesige rötlich-graue Felsen. Ayers Rock in klein im spanischen Inland. Geier fliegen über den Felsen. Jedes Mal, wenn ich hier bin, denke ich an alte Western und stelle mir vor, dass Indianer hinter dem kargen Gebüsch hocken, jederzeit bereit auf ein galoppierendes Pferd zu springen. Darf man noch “Indianer” sagen? Wikipedia sagt, der Begriff kommt aus der Kolonialzeit und ist auf jeden Fall umstritten, mir fällt aber auch gerade keine gute Alternative für das Wort ein.
Helden aus der Kindheit: John Wayne und Elvis
Ich habe ein Bild aus alten Western vor Augen, die Art von Western die mein Vater schaute, als wir Kinder waren. Einer seiner Helden war John Wayne. Kein Mann der großen Worte, aber immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und vor allem: immer auf der richtigen Seite des Gesetzes. So kam es mir jedenfalls vor als Kind. Vermutlich habe ich völlig ungefiltert die Begeisterung meines Vaters für diesen wortkargen Macho übernommen. John Wayne wurde mir als Kind so vertraut, dass er irgendwie mit zur Familie gehörte. Ich habe ein paar Zitate John Waynes aus dieser Zeit gefunden: „Ein Mann verdient eine zweite Chance, aber behalte ihn im Auge!“ oder „Das Leben ist hart und es ist noch härter, wenn du dumm bist!“. Das war John Wayne!
Elvis gehörte ebenfalls zur Familie, denn mein Vater duzte ihn und redete über ihn, als sei er ein Freund der Familie. Einmal sahen wir im Fernsehen wie der junge Elvis mit einem Seesack über der Schulter, zusammen mit anderen amerikanischen Soldaten in Bremerhaven mit einem Schiff ankam. Mein Vater behauptete, er wäre damals dabei gewesen, was ich ihm sofort glaubte. Mein Vater und Elvis Best Buddies, ich war so stolz!
Brauner Bär, Terence Hill und Bud Spencer
Zusammen Fernsehen war ein echtes Ereignis in meiner Kindheit, aber die Kinderfernsehzeiten schienen meinen Schwestern und mir immer etwas zu kurz. An manchen Abenden schlichen wir uns dann ins Wohnzimmer und hockten uns hinter das mit großen braunen Blumen gemusterte Sofa, um seitlich die Köpfe rauszustrecken und so lange weiter zu gucken, bis wir erwischt wurden. Irgendwann musste immer eine von uns lachen oder husten oder wir lehnten uns zu doll an das Sofa, was dann laut quietschend verrutschte und dann war es vorbei mit dem Fernsehabend. Bei drei Mädchen und einer Mutter sind bei uns in der Familie die Frauen eindeutig in der Mehrzahl. Umso erstaunlicher ist es jetzt für mich zu merken, dass die Helden meiner Kindheit sehr von meinem Vater beeinflusst sind. Wie hat er das damals geschafft, drei Mädchen und seine Frau in Bud Spencer und Terence Hill Filme zu schleppen? Er war großer Fan und wir dann eben auch, eine zeitlang. Filme mit Titeln wie: “Vier Fäuste für ein Halleluja” oder “Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle”, großartig! Ich fand Terence Hill unglaublich gutaussehend und somit waren die Balgereien und Schießereien für mich Nebensache. Die beiden Kerle waren immerhin auch ziemlich lustig, so dass es dann doch ein Spaß für die ganze Familie war.
In dieser Zeit gab es noch richtige Kinowerbung vor dem Film, für das Autohaus von nebenan zum Beispiel. Dann kamen die Vorfilme. Immer gab es die Eiswerbung, dann ging das Licht an, und ein Verkäufer mit einem Bauchladen kam mit einer Taschenlampe ins Kino und fragte, ob jemand ein Eis wollte. Damals gab es noch Eissorten mit dem Namen “brauner Bär” und “Dolomiti” oder “Mini Milk”. Ich sehe gerade, dass es angeblich den “braunen Bären” wieder gibt in Deutschland. Mein Lieblingseis damals, aber will ich wirklich nach mehr als 30 Jahren dieses neue Eis probieren? Vielleicht ist inzwischen die Erinnerung daran viel schöner als das reale Eis. Es gibt eine Facebookseite mit dem Namen “Wir wollen brauner Bär zurück!” Mhhhh Greta Thunberg ist vermutlich nicht in dieser Initiative zu finden, trotzdem irgendwie lustig.
Verbotene Vorfilme
Das verrückte an den Kinoerinnerungen ist, dass ich mich an keine wirkliche Bud-Spencer-Szene erinnere, aber Bilder eines Vorfilms, von dem meine armen Eltern überrascht wurden irgendwo zwischen der Autohauswerbung und dem Eis. Dieser kurze Ausschnitt spielte auf einer Alm und man konnte viele halbnackte Menschen mit Tirolerhüten sehen. Dirndl, die topless waren, waren auch dabei und das vor schönster Alpenlandschaft. Ich erinnere mich an meine Mutter, wie sie versucht, drei Kindern gleichzeitig die Augen zuzuhalten. Wir waren aufgeregt, gebannt und sehr belustigt und versuchten möglichst viel zu sehen in diesen Sekunden. Verrückt, wie deutlich ich diese Kinobilder erinnere. Disneyfilme schauten wir natürlich auch im Kino: Das Dschungelbuch und Bambi waren die ersten und ich kann mich heute noch an die Angst erinnern, die ich hatte, als Mogli ganz alleine im Urwald war. Immer mit der schleichenden Gefahr, dass jeden Moment der gefährliche Tiger Shir Khan angreifen kann.
„Deine Spuren im Sand“ vom Tonband, Disco und Hitparade
Es war die Zeit, wo nachmittags bei uns zu Hause manchmal das Tonband lief mit Songs wie: “Deine Spuren im Sand” von Howard Carpendale. Aber auch sehr exotische Songs für die damalige Zeit waren dabei, wie “Pata pata” von Miriam Makeba. Hans Rosenthal von “Dalli Klick” und Ilja Richter gehörten in meiner kindlichen Phantasie ebenfalls zu den damaligen Freunden meiner Eltern. Denn sie sprachen mit dem Fernseher. Das lief dann zum Beispiel so, mein Vater zu Hans Rosenthal: “Mensch Hans, heute bist du ja in Höchstform!” oder meine Mutter zu Ilja Richter: “Ilja, was redest du denn da für ein komisches Zeug!” Ich war überzeugt, sie kannten sich und vermutlich gab es geheime Treffen, wenn ich in der Schule war, wo alle bei uns auf dem Sofa saßen und gemeinsam John-Wayne-Western schauten.
Bei der Hitparade von Dieter Thomas Heck sang Udo Jürgens „ein ehrenwertes Haus“, und wir sangen mit. Freddy Quinn, Mireille Mathieu, Neil Diamond und Simon und Garfunkel, und sogar die Beatles gehörten irgendwie zur Familie. Die Interpreten, die zum deutschen Schlagermarkt gehörten, sahen wir zu festen Zeiten in der Hitparade. Bei „Disco“ von Ilja Richter ging es nach seinem bekannten „Licht aus, Spot an!“ etwas internationaler zu. Dort sahen wir die Bee Gees und Boney M., Abba und dazwischen den einen oder anderen Sketch mit Ilja Richter. Irgendwie war alles erlaubt in dieser Zeit, je schriller das Fernsehformat umso besser. Klimbim mit Ingrid Steeger kenne ich sicher nur vom heimlichen hinter dem Sessel gucken. Was für ein Name!
Meine Begegnung mit John Wayne
Gerade hat der Kühlschrank ein Geräusch von sich gegeben und es wird Zeit, dass ich meine Wanderschuhe anziehe, um mit Luis zusammen einen dieser rötlich-grauen Felsen zu besteigen. Ich bin gespannt, ob wir oben auf dem Berg angelangt, auf einen reitenden John Wayne treffen, der kurz neben uns innehält und nach einem längeren Schweigen sagt: „Rede einfach, rede langsam und sage nicht zu viel.“ (Originalzitat John Wayne)
Fritzchen
Selten so gelacht! Ich fühle mich zurückversetzt in eine Zeit von Glastanzdielen, Rock’nroll und vershwitzten Hemden, die vom Licht blau angestrahlt wurden, die Musik live spielte und die Röcke durch einen Reifunterrock schön abstanden. Tolle Erinnerung!
Stefanie Pfeil
wow das klingt gut! Die Reifenunterröcke waren noch vor meiner Zeit, das war bestimmt klasse.
Jennifer
Sehr schön Steffi, da kommen bei mir auch Erinnerungen an gemeinsame Fernsehabende mit der Familie zu festen Zeiten … Hitparade, Montagsmaler: Kandidaten malen Begriffe, die wir alle so schell wie möglich mitgeraten haben, das fanden wir sehr lustig. Toll, was für „einfache“ Spiele da im Fernsehen kamen und wir uns gut unterhalten gefühlt haben.
Stefanie Pfeil
danke Jennifer und ja stimmt, Montagsmaler war auch klasse!!!