Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Pfeilsenderstories

Mantafahrerhumor und seine Folgen

Autos waren bei uns zu Hause immer etwas, was nicht beschädigt werden durfte. Bereits als Kind wusste ich, dass ein Kratzer am Auto irgendwie dramatisch ist. Nicht zu vergleichen mit einem Kratzer am Knie zum Beispiel. Ich wusste das, weil meine etwas ältere Schwester als kleines Kind mit dem Nachbarsjungen die Idee hatte, die Autos auf dem Parkplatz vor unserem Haus anzumalen. Mit kleinen Steinchen haben sie dann Berge, eine Sonne und andere schöne Dinge in den Lack unseres Autos geritzt. Als sie fertig waren, haben sie mit dem Auto des Nachbarsjungen weitergemacht. Bevor sie die gesamten anderen Autos verschönern konnten, kam zum Glück meine Mutter und bemerkte das Fiasko.

Diese Geschichte wurde noch oft erzählt und mir wurde schon damals klar, das war irgendwie lustig, aber auch ein bisschen schlimm. Mein Vater war Fahrlehrer und das Hauptfamilienauto war sein Heiligtum. Als wir Töchter den Führerschein mit 18 machten, hatten wir bereits ein zweites Familienauto. Das war offiziell das Auto meiner Mutter, ein alter Gebrauchtwagen, den wir Töchter dann auch ab und zu fahren durften.

Gefährliche Fahrstile und viele viele Schutzengel

Einmal hat mein Vater versucht, mir auf einem Parkplatz Autofahren beizubringen. Nach 5 Minuten hatten wir uns irgendwie gestritten und ich bin zu Fuß nach Hause. Vermutlich war der Konflikt, dass ich mir nichts von ihm sagen lassen wollte. Ich war zu diesem Zeitpunkt in der Kategorie „unbelehrbare Jugendliche“ zu Hause. Den Führerschein habe ich später trotzdem geschafft. Verrückterweise hatte ich dann die Idee, dass ich jetzt endlich frei bin und nicht mehr diese ganzen Regeln beachten muss. Zum Beispiel die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ich bin also erstmal eine ganze Weile so Auto gefahren, wie ich Lust hatte. Vermutlich hatte ich nicht so oft das Auto meiner Mutter und dazu noch viele eifrige Schutzengel, denn es ist mir tatsächlich nichts passiert und soweit ich weiß, habe ich auch niemanden sonst in Gefahr gebracht.

Ich denke daran, wie oft wir spät nachts auf dem Weg von der Disko den kurvenreichen Weg durch den Wald genommen haben. Mit einem völlig überfüllten Auto, lauter Musik und Menschen, von denen der eine oder die andere nicht mehr ganz nüchtern waren. Es ist uns nie etwas passiert. Meist bin ich irgendwo mitgefahren, was nicht weniger gefährlich war, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass ich nicht wirklich getrunken habe, wenn ich am Steuer saß, das war nicht bei allen Freunden von mir so.

Ein Mantafahrer dreht durch

Als ich schließlich mit 19 Jahren in einer WG in Kassel wohnte, war ich einmal spät nachts mit einer guten Freundin auf dem Heimweg von einer Party. Um 4.00 war auf dieser sonst stark befahrenen Straße nichts los und wir spazierten auf dem breiten Bürgersteig. Schon von Weitem sahen wir ein Auto, das den Bürgersteig quer verstellte, so als würde es gleich auf die Hauptstraße einbiegen. Es stand einfach so da, mit laufendem Motor. Wir waren etwas irritiert, denn jemand saß am Steuer und verstellte den Bürgersteig quer. Langsam nährten wir uns dem Auto auf dem menschenleeren Bürgersteig. Als wir bei dem Wagen ankamen, mussten wir einen Bogen um das Hinterteil des Autos gehen. Genau in dem Moment, wo wir hinter dem Auto waren, legte der Fahrer den Rückwärtsgang ein und fuhr mit Vollgas in unsere Richtung. Ich habe mich so erschreckt, dass ich, nachdem ich mit einem Satz zur Seite gesprungen war, mit voller Wucht gegen das Auto getreten habe. Vermutlich haben wir auch geschrien dabei und wären wir nicht zur Seite gesprungen, hätte uns dieser Verrückte direkt angefahren. Noch völlig im Schock liefen wir mit zitternden Beinen weiter.

Ist das gerade wirklich passiert? Das Auto bog in die Straße ein ohne Licht und hielt dann vor uns an einer nachts geöffneten Tankstelle. Das Auto war ein nagelneuer schwarzer Manta und sein Fahrer passte hervorragend dazu. Ist das Autoshaming? Ein Mann in unserem Alter mit der damals modernen Vokuhila-Frisur (vorne kurz hinten lang), einem Schnurrbart und einer dicken goldenen Kette. Zu seiner Entschuldigung: Wir befanden uns in den späten 80er Jahren.

Der Kerl war einen Kopf größer als ich und baute sich voller Wut vor mir auf. Mein Adrenalin war nach dem Schrecken auf Hochtouren und ich war ebenfalls voller Wut.

Skurrile Diskussionen in der Tankstelle

„Bist du wahnsinnig? Du hast mir eine riesige Beule in meinen nagelneuen Manta getreten!“ Schrie der nächtliche Frauenanfahrer.

„Du wartest mitten in der Nacht, um uns absichtlich umzufahren und wunderst dich, dass ich dir in dein Auto trete?“ Schrie ich zurück.

„Ich werde jetzt bei der Polizei anrufen und du wirst den Schaden übernehmen, du alte xxx!“

„Da bin ich gerne dabei und ich werde der Polizei erzählen, dass du bescheuerter xxx uns absichtlich anfahren wolltest, was meinst du, was die Polizei dazu sagt?

Während wir uns anschrien, gingen wir in die Tankstelle, um von dort die Polizei anzurufen. In dem kleinen Tankstellenladen war ein Verkäufer und ein sehr betrunkener Mann. Ich erinnere mich, dass dieser sich interessiert neben uns stellte (soweit er sich schwankend auf den Beinen halten konnte) und zwischendurch ganz laut:

„Sie hat Recht!“ rief.

Meine Freundin, die bei allem die Ruhe bewahrt hatte, versuchte zu schlichten, kam aber nicht weit damit.

Nach einer Weile sah der aggressive Mantafahrer ein, dass er die Polizei vermutlich nicht auf seiner Seite hätte und wir verließen den Tankstellenladen laut streitend wieder. Der Typ rief noch hinter uns her, dass er uns verfolgen und uns nachts auflauern würde. Ich wohnte um die Ecke von der Tankstelle und wir schlichen uns auf Umwegen zu meiner WG. Zu Hause angekommen und wieder etwas ruhiger kam dann doch noch die Angst bei mir hoch. Was, wenn der wütende Kerl uns nachgeschlichen war und nun wusste, wo ich wohnte? Meine Freundin hat zum Glück bei mir übernachtet und wir haben sämtliche großen Küchenmesser mit ins Zimmer genommen, für alle Fälle. Mantamann war vermutlich nicht schlau genug, um tatsächlich herauszufinden, wo ich wohne. Ich habe ihn jedenfalls nie wiedergesehen.

Im Verteidigungsfall darf ein Auto beschädigt werden

Nachdem wir uns von diesem skurrilen Ereignis erholt hatten, war ich am Zweifeln, ob ich diese Geschichte meinen Eltern erzählen sollte. Nicht nur, damit sie sich keine Sorgen machen, sondern vor allem, weil ich vermutete, mein Vater würde es nicht gutheißen, dass ich riesige Beulen in Autos trete.

Ein paar Tage später habe ich die Geschichte dann doch erzählt und der Kommentar meines Vater war:

„Wenn dir das so Spaß gemacht hat, die Beule ins Auto zu treten, warum hast du nicht direkt noch eine zweite daneben getreten?“ Dann kam die Tagesschau im Fernsehen und das Thema war für ihn erledigt.

Wow, das Heiligtum Auto ist also in der Hierarchie auf jeden Fall unter der berechtigten Selbstverteidigung der eigenen Tochter. Wie wunderbar!

Heute haben meine Eltern nur noch ein Auto und wenn ich zu Besuch bei ihnen bin und einkaufen fahre, lasse ich es vor der Garage stehen. Ich habe immer noch die Angst, beim Reinfahren rechts oder links einen Kratzer zu verursachen. Vermutlich würde mein Vater inzwischen viel nachsichtiger reagieren, als ich mir das vorstelle. Vielleicht würde er sogar sagen:

„Wenn dir das so Spaß gemacht hat, einen Kratzer in mein Auto zu fahren, warum machst du nicht direkt noch einen daneben?“

  1. fritzchen

    Eine wahre und auch tolle Geschichte. Das hast Du gut gemacht!

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