Mama, was gibt’s zu essen? Eine der üblichen Begrüßungen nach der Schule. Unser Essensritual ist im Moment folgendes: Ich koche für 5 Personen mit dem Gefühl, dass dabei noch viel für einen anderen Tag übrig bleibt und dann geschieht das Unerwartete. Völlig unabhängig von der Menge, die sich in Töpfen und Pfannen befindet, wird alles aufgegessen. Der Traum einer italienischen Mama!
Ich gebe zu, auch ich esse nicht wie ein Vögelchen und gehe nicht gerne in Restaurants, die unglaublich gutes Essen in mikroskopischen Mengen wunderbar arrangiert auf die Teller legen.
Was steht da für eine Idee dahinter? Je besser es schmeckt, desto weniger willst du davon essen? Ich bin für angemessene Portionen von gutem Essen, aber zurück zum Thema.
Unglaublich, was so ein Jugendlicher essen kann!
Wir leben in Spanien, wo das gute Essen eine große Bedeutung hat. Ein warmes Mittagessen ist ein absolutes muss und abends wird nochmal gekocht und zubereitet.
Es gibt meist eine Vor- und Hauptspeise und gerne auch noch Nachtisch. Man müsste meinen, dass die Spanier alle ein Übergewichtsproblem haben, aber dem ist nicht so. Die mediterrane Kost ist sehr gesund, nicht sehr kohlenhydratlastig und vor allem: die meisten Spanier essen kleine Portionen.
Wir haben, wie es oft passiert, wenn man zwischen mehreren Kulturen lebt, die guten Dinge aus beiden Kulturen übernommen und das wären: deutsche große Portionen und gutes und eng getaktetes spanisches Kochen und Essen.
Wenn dann noch die Bereitschaft eines Jugendlichen dazu kommt, zu jeder Tag und Nachtzeit Unmengen von Essen zu verzehren, kann ich als Mutter eigentlich kaum noch einer geregelten Arbeit nachgehen, weil ich dauernd einkaufen oder kochen muss.
Fairerweise möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Leo schon immer gerne gegessen hat. Aber wer es nicht erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, welche Mengen Nahrungsmittel ein jugendlicher 1,90m großer Kerl, in Sekundenschnelle verputzen kann.
Ähnliches Fressverhalten bei Hyänen und Jugendlichen
„Gibt’s noch mehr?“ Ist ein Standardsatz am Essenstisch. In jüngster Zeit wird viel von den unglaublich hohen Miet- und Wohnungskaufkosten in unserer modernen westlichen Gesellschaft geredet. Ich glaube wir müssen anfangen, über den Essensverbrauch in Haushalten mit Jugendlichen zu sprechen. Natürlich ist mir bewusst, dass es auch Jugendliche gibt, die das Essen fast vollständig verweigern.
An dieser Stelle höre ich auf, mich zu beschweren und bin heilfroh einen Vielfraß in meinen 4 Wänden zu beherbergen. Mein ehrliches Mitgefühl gilt diesen Eltern und Jugendlichen.
Um mal wieder mit dem Tierreich zu vergleichen, kommt mir ein Satz, den ich über Schildkröten gelesen habe in den Sinn: „Wie alle Reptilien kaut die Schildkröte ihre Nahrung nicht, sondern verschlingt sie unzerkleinert.“ Passender Vergleich aber irgendwie sind mir die Schildkröten beim Essen zu langsam, die Hyäne passt wohl besser zu seinem jugendlichen Nahrungsaufnahmeverhalten. Die meisten Hyänearten jagen nicht selber, fressen aber in unglaublicher Geschwindigkeit alles weg, was bei drei nicht auf dem Baum ist. So isst mein Sohn!
Prioritäten in der Erziehung
Ich glaube, ich bin eine recht liberale Mutter. Manche würden sogar so weit gehen zu sagen, ich lasse meinem Sohn zu große Freiheiten. Themen bei denen ich in der Erziehung klar versagt habe: Tischmanieren und dem Sohn Gemüse schmackhaft machen. Es gibt Dinge, von denen ich immer wusste, dass sie nicht ganz ideal laufen, die aber trotzdem in meinem Alltag einer alleinerziehenden berufstätigen Mutter nicht oben auf der Liste der Prioritäten stehen.
Da standen die ersten Jahre eher solche Dinge wie:
Überleben, genug Geld verdienen, um die Miete und Essen zu bezahlen,
Zeit mit dem Sohn verbringen, Einkaufen, Kochen, Kinderarzt, Schulversammlung, Aufräumen und groben Schmutz entfernen, damit wieder Platz entsteht für:
Zeit mit dem Sohn verbringen, Kochen etc.
Irgendwo weiter unten stand da auch: wenn der Sohn Gemüse verweigert, muss er es trotzdem essen, Strategien entwickeln, um der Gemüseverweigerung entgegenzusteuern. Danach kam der Punkt: der Sohn soll beim Essen gerade sitzen und langsam mit einer Serviette auf dem Schoss mit Messer und Gabel (beides in der richtigen Hand) das Essen zum Mund führen.
Diese beiden letzten Punkte standen so weit unten auf meiner Prioritätenliste, dass ich meist nicht bis dahin gekommen bin. Rohkost und Obst hat Leo glücklicherweise akzeptiert, womit auch die Vitaminzufuhr weitgehend abgedeckt war.
Fehlende Tischmanieren auch bei mir…
Zu den Tischmanieren muss ich zugeben, dass auch ich besonders bei leckeren Süßspeisen nicht immer der Versuchung widerstehen kann, genüsslich den Teller so zu säubern, dass er eigentlich wieder direkt in den Schrank gestellt werden könnte. Die Vorbildfunktion war also auch nicht immer vorbildlich.
Die Tischmanieren erst im Jugendalter nochmal nachzubessern ist nahezu aussichtslos! Mein Sohn nimmt wechselweise die Gabel in die eine, dann in die andere Hand. Seine Devise scheint zu sein: „Wozu ein Messer dazu nehmen, wenn ich nur den Teller anheben muss, um mir den Rest Reis direkt in den Mund zu schaufeln?“
Dabei kann er auch noch seine afrikanischen Wurzeln gegen meine Argumente verwenden, wo in manchen Kulturen, die Reisgerichte direkt mit den Händen gegessen werden. Dann resigniere ich oft und versuche ihm klarzumachen, dass es in unserer Kultur schon von Vorteil wäre, wenn er mit Messer und Gabel essen könne, besonders wenn er mit Menschen speise, die er noch nicht gut kenne. Er entgegnet mir dann, sich der Situation entsprechend verhalten zu können, wenn es darauf ankäme und ich kann wieder einmal nur hoffen, dass das stimmt!
Nicht zu empfehlen: Brunch mit Freunden und Jugendlichen
Zum Thema jugendliches Essverhalten fällt mir eine Geschichte ein, die vermutlich unangenehmer für mich ist, als für meinen Sohn.
Eine Freundin aus Deutschland mit ihrem neuen Freund sind zu Besuch in unserer schönen Stadt und ich habe sie zum Sonntagsbrunch eingeladen. Zufälligerweise haben Leos bester Freund Andreu und noch zwei Jungs hier übernachtet und ich habe mit Leo besprochen, dass sie mitessen könnten, dann aber bitte wieder gehen, damit wir Erwachsene in Ruhe die neuesten Ereignisse austauschen können. Zu siebt sitzen wir dann also an einem reich gedeckten Tisch mit leckeren Käsesorten, spanischem Schinken, frischen Brötchen, Obst, Eiern, Orangensaft. Die Erwachsenen auf einer Seite des Tisches, die Jugendlichen auf der anderen.
Während wir unseren ersten Milchkaffee trinken und in unser knuspriges Brötchen beißen, sehe ich auf einmal, dass neben mir blitzschnell agiert wird:
Wie ein Schwarm Heuschrecken…
4 jugendliche Vielfraße gehen wie ein Schwarm Heuschrecken über den reich gedeckten Tisch, hinterlassen Verwüstung, Krümel und kleine Reste! So etwas habe ich noch nicht erlebt: in Sekundenschnelle ist vom spanischen Schinken nichts mehr übrig und auch alles andere nur noch in homöopathischen Mengen! Man kann mir vieles nachsagen, aber nicht, dass ich Essensmengen knapp berechne. Sehr unangenehm vor meiner Freundin und deren neuem Freund, vor diesen abgegrasten Tellern zu sitzen, wo wir doch gerade erst loslegen wollten mit dem Essen.
Kurz darauf haben sich die beiden getrennt, ich vermute und hoffe, das hatte nichts mit dieser Episode zu tun. Warum erzähl ich das? Ich möchte andere Eltern warnen: falls ihr 3 Jungs zum Übernachten einladet (vermutlich bereits der erste Fehler!), ladet nicht parallel eure Freunde zum Essen ein, ihr habt keine Chance.
Noch ein Tipp: sichert die Vorräte, wenn Jugendlichengruppen zu euch nach Hause kommen. Lasst in den Schränken und Kühlschränken nur Dinge, auf die ihr verzichten könnt, denn es wird nichts übrigbleiben. Ein Jugendlicher mit Heißhunger verzehrt alles, was er findet: abgelaufene Joghurts, ein Pfund Butter, süß sauer eingelegte Heringe, eine Flasche Sojasauce, egal! Stellt am besten in die erste Reihe Dinge, die sowieso wegmüssen.
Wo immer eine Tupperdose aufging, da stand mein kleiner Sohn
Ehrlich gesagt, hatte Leo bereits als kleiner Junge einen ausgeprägten Instinkt, jede Art von Futter aufzuspüren. Wenn er auf dem Spielplatz nur von weitem das Geräusch einer aufploppenden Tupperdose hörte, schlich er sich an diese Familie und blieb einfach vor ihnen stehen und schaute sie an. Nie hat er direkt nach dem Essen gefragt, aber die Menschen hatten die Wahl: einen 1-Jährigen Lockenkopf, der sie mit großen Augen anschaut zu ignorieren, oder ihn an den Leckereien teilhaben zu lassen.
Gerne hob er auch Dinge vom Boden auf, um sie dann in den Mund zu stecken und egal wie sandig, dreckig oder eklig das Ganze war, was einmal den Weg in seinen Mund gefunden hatte, blieb da auch drin! Wenn Leo in jeder Hand einen Keks hatte und stolperte, fiel er lieber direkt auf den Mund, anstatt die Kekse in Gefahr zu bringen. Weinend und voller Dreck im Gesicht sah ich ihn dann auf dem Boden liegen mit zwei kleinen Händchen, die tapfer zwei unversehrte Kekse hoch in die Luft hielten. Es tat mir natürlich leid, ihn so zu sehen und als erstes klärte ich ab, ob er sich weh getan hatte. Wenn er sich wieder beruhigt hatte, freute er sich über seine intakten Kekse. Ich glaube, damals waren die Prioritäten meines Sohnes bereits klar festgelegt, ich war stolz auf ihn!
Wieso stolz, fragt ihr euch, es wäre doch vielleicht schlauer gewesen, sein Gesicht beim Sturz zu schützen? Das mag sein, aber ich glaube als Mutter eines 1-jährigen Kindes hat die Natur das mit dem stolz sein so eingerichtet. Es sei noch dazugesagt, dass ich als Mutter durchaus noch den einen oder anderen Grund zu wirklichem Stolz hatte damals und ich nicht noch heute emotional von dem guten Gefühl zehre, dass mein Sohn mit einem Jahr beim Stürzen perfekt intakte Kekse hinterlassen konnte!
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