Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Kolumne: Morgens siehst du aus wie ein toter Clown!

Mama, hier ist alles voller Blut!

Ein Junge aus Leos Klasse hat Covid 19 und die gesamte Schulklasse muss in Quarantäne. Nach dem ersten Frust schon wieder eingesperrt zu sein, freut sich Leo über zwei Wochen im  Schlafanzug!

Da er bisher nicht positiv getestet ist und somit nur ein enger Kontakt eines Covidkranken, bin ich als seine Mutter vorerst nicht in Quarantäne, kann also immerhin noch einkaufen und mal mit dem Fahrrad eine Runde drehen.

Die Klasse Leos ist in Quarantäne

Trotzdem erinnert mich die Situation sehr an den harten Lockdown, den wir letztes Jahr 3 Monate lang in Spanien hatten. Also kaufe ich schöne Dinge ein, denn leckeres Essen und Trinken ist bei uns zu Hause eine willkommene Abwechslung. Früher habe ich gerne mal einen Kuchen gebacken, aber inzwischen bin ich auf dem Niveau von ofenwarmen Hefezimtschnecken angelangt. Wenn ich an ofenwarme Hefezimtschnecken denke, habe ich sofort diesen weihnachtlichen Zimtgeruch in der Nase, mmmmh. Ich bin keine Hausfrau aus einer amerikanischen Serie, die solche warmen Hefezimtschnecken in einem Korb mit großer Schleife den neuangekommenen Nachbarn bringt.

Nein, bei mir sind diese Zimtschnecken ein Versuch, das Eingesperrt sein und den Frust über diese schwierigen Zeiten mit etwas Leckerem zu kompensieren.  Funktioniert auch, aber nur kurz. Spätestens nach ein paar Wochen, setzen sich genau diese Zimtschnecken Zentimeter für Zentimeter auf die Hüften, aber das soll hier jetzt nicht das Thema sein.

Zum Glück gibt es Homeschooling für Leo und da ich auch zu Hause arbeite, gibt es klare Zeiten und einen relativ strukturierten Tag trotz unseres privaten Lockdowns. Ich denke mitfühlend an Eltern mehrerer Kinder, die sich seit Monaten im ständigen on und off des privaten Lockdowns befinden. Ich kenne Mütter, deren Kinder in drei Monaten 4 mal mit ihrer Schulklasse in Quarantäne waren.

Rückkehr zum digitalen Leben im Lockdown

Mein Sohn verbringt den ganzen Tag in seinem Zimmer, meist auf seinem Bett vor dem Computer (homeschooling), vor dem Handy (soziale Kontakte und Musik hören), an der Playstation und wieder vor dem Computer (Hausaufgaben). Abends kann man natürlich auch noch Serien gucken… Gibt es im Leben eines Jugendlichen außer dem Essen noch irgendetwas nicht digitales? Ach ja, aufs Klo gehen und duschen, wobei das meist auch mit Musik beschallt wird.

Aber dieses Thema will ich jetzt nicht vertiefen, denn es gibt etwas anderes, was ich gerade mit meinem Sohn erlebt habe und ich vermute, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich es nicht glauben!

Ich habe heute Nachmittag ein Chorsingen per Videokonferenz und habe Leo vorher gebeten, mich nicht zu stören. Er macht Hausaufgaben in seinem Zimmer. Dabei liegt er auf seinem Bett, alles ist ruhig und friedlich.

Ein Haushaltsunfall während der Hausaufgaben, geht das?

Während ich gerade versuche auf einem „r“ die Tonleiter rauf und runter zu trällern, sehe ich in meinem seitlichen Blickfeld meinen Sohn wild gestikulieren und rufen. Ich gebe ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er mich bitte jetzt nicht stören soll.

Er gestikuliert und ruft weiter, da ich aber meine Kopfhörer aufhabe, verstehe ich nichts. Es scheint irgendwie wichtig zu sein, also schaue ich genauer hin: Mein Sohn humpelt barfuß in der Küche herum und überall auf dem Küchenfußboden sehe ich Blutstropfen. Das „r“ bleibt mir im Halse stecken, ich unterbreche die Gesangsstunde und laufe eilig zu meinem Sohn.

Augenscheinlich hat er sich am Fuß verletzt, eine Blutsspur führt aus seinem Zimmer in die Küche. Ein tiefer Schnitt ist in seinem Zeh und ich brauche viel Jod und einen richtigen Verband, um die Blutung zu stoppen. Leo sagt, er habe sich an der Tür geschnitten und es erst gar nicht gemerkt, bis es anfing sehr wehzutun und dann hätte er auch das viele Blut gesehen. Irgendwie kann ich es nicht fassen, dass mein Sohn es beim Hausaufgaben machen im Bett schafft, sich derart zu verletzen. Aus Versehen! Die Tür ist übrigens eine ganz normale Holztür und auch nachdem ich alles saubergemacht habe und meine unterbrochene Videokonferenz zu Ende ist, verstehe ich diesen Unfall nicht wirklich. Liegend im Bett hat er seine Füße gegen die Tür gestemmt und ist dann irgendwie nach unten abgerutscht. Vermutlich wie man sich an einem Blatt Papier in die Finger schneiden kann.

Faszinierend wie er das schafft Dramen in einem Kontext zu inszenieren, in denen sonst Langeweile und Ruhe herrschen. Nein, ich unterstelle ihm nicht, sich absichtlich zu verletzen. Bei Leo passieren diese Dinge absichtslos! Seine Bewegungen sind voller Kraft und Wucht gepaart mit jugendlicher Unachtsamkeit, wenn ich neben ihm auf dem Sofa nicht aufpasse, bekomme ich manchmal einen versehentlichen Tritt oder Ellbogenstoß.

Bringt mich ins Krankenhaus!

Die dramatische Inszenierung des verletzt oder krank seins war auch bereits als kleines Kind sehr ausgeprägt: Leo war ungefähr 4 Jahre alt und wir waren Weihnachten bei den Großeltern in Deutschland. Gerade ging eine sehr ansteckende und schmerzhafte Magen-Darm-Grippe um, und Leo steckte sich an. Der arme Kleine hatte tatsächlich schlimme Bauchschmerzen und es tat mir furchtbar leid, dass er gerade an Weihnachten so krank wurde. Am 25. war es besonders schlimm und Leo fing an laut und dramatisch: „bringt mich ins Krankenhaus!“ zu rufen. Draußen lag Schnee und es hörte nicht auf zu schneien. Da er furchtbar litt, und es auf dem Dorf meiner Eltern keinen diensthabenden Arzt gab, fuhren wir kurzerhand tatsächlich mit ihm ins Krankenhaus. Im ersten Krankenhaus wurden wir abgewiesen, weil sie keine Kinderabteilung hatten und so fuhren wir durch die Winterlandschaft am Abend. Irgendwie kamen mir Parallelen mit Maria und Josef in den Sinn, die in keiner Herberge aufgenommen wurden. Mein Kind rief immer wieder: „bringt mich ins Krankenhaus, bringt mich ins Krankenhaus!“

Irgendwann wurden wir tatsächlich in einem anderen Krankenhaus angenommen. Ein Arzt untersuchte Leo und stellte fest, dass er den schlimmen Magen-Darm-Virus hat (was wir bereits vermuteten) und dass man außer Wärmflasche anbieten und abwarten bis es vorbei ist, nicht viel dagegen machen kann. Leo fand, der Arzt habe ihn noch nicht genug untersucht und bat ihn, ihn erstmal richtig mit dem Stethoskop das dem Doktor um den Hals hing, abzuhören. Als der Arzt mit konzentriert ernsthafter Miene Leo abgehört hatte, ging es meinem Sohn ein kleines bisschen besser und wir fuhren nach Hause. Tatsächlich war er nach wenigen Tagen wieder topfit und die Weihnachtsferien gingen gesund und munter bei Opa und Oma weiter.

Ein Dank an alle fleißigen Schutzengel

Ich wünsche meinem Sohn viele, viele Schutzengel. Ich weiß nicht genau, wie die Arbeit von Schutzengeln organisiert ist. Gibt es Schichtarbeit? Hat eine Person immer die gleichen Schutzengel oder werden sie ausgetauscht? Damit ein Schutzengel von einer Person, die sich ständig aus Versehen in Gefahr bringt, nach ein paar Wochen auch mal Schutzengel von einer sehr vorsichtigen Person sein darf, wo er oder sie sich mal ein bisschen ausruhen kann? Hat jede Person nur eine begrenzte Zahl an Schutzengeln und wenn die verbraucht sind, gibt es keine Neuen?

Ich hoffe, es gibt unbegrenzte Schutzengel Ressourcen, je nachdem wie viele jeder braucht. Ich vermute, die wilden Abenteurer und unaufmerksamen Stolperer gleichen sich mit den achtsamen Sanftmütigen und Vorsichtigen aus. Ein Dank an alle fleißigen Schutzengel mit der Bitte auch weiterhin meinen Sohn aufmerksam zu begleiten.

  1. Mathias

    Es hat mir wieder Spaß gemacht , Deine Geschichte zu lesen. Da kann ich nur hoffen, dass Dir der Stoff nicht ausgeht!

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