Ich komme gerade von einer Blutabnahme, eine Routineuntersuchung, die schon länger fällig war. Auf dem Weg dahin fällt mir ein, dass ich gestern Abend vor meiner Abendserie ein paar Schokoladenkekse gegessen habe. Ich vermute, dass mein Arzt jeden einzelnen dieser Kekse in meinen Blutwerten findet.
Sicher sieht er auch das Glas Wein im Blut. Wie dumm von mir, jetzt habe ich vielleicht einen krassen Cholesterinwert und dazu noch Diabetes! Meine Atmung wird schneller und beim Sitzen vor dem Computer merke ich, dass ich total krumm dasitze. Mein Rücken ist verspannt und bei jeder Bewegung spüre ich einen leichten Schmerz. Als ich jung war bin ich schwimmen gegangen, weil ich gerne schwimme. Ich schwimme immer noch gerne, aber inzwischen ist das Schwimmen zu einer Art notwendiger Instandhaltungsmaßnahme meines Körpers geworden. Eine Woche ohne Schwimmen und ich merke es am ganzen Körper.
Noch mehr Arzttermine
Heute habe ich einen Termin bei meiner Osteopathin, denn ich konnte die letzten Tage wegen wiederkehrendem Schwindel nicht schwimmen. Dadurch hat sich mein Rücken so verspannt, dass ich Hilfe brauche. Es ist wie eine Kettenreaktion im Körper, wenn eine Sache nicht mehr rund läuft, sind gleich noch ein paar mehr Körperteile betroffen.
Die Rückenschmerzen haben sich nach ein paar Tagen nach vorne verteilt, so dass ich am Ende auch noch ein Ziehen in der linken Brust hatte.
Oh je, beim Lesen merke ich, dass ich mich wie eine totale Hypochonderfrau anhöre, die sich ihre Zeit mit Arztbesuchen vertreibt und darüber klagt. Das ist aber gar nicht mein Anliegen heute, denn eigentlich will ich meinem Körper gratulieren, aber dazu später.
Die Brustschmerzen haben mich letztendlich zu einer sehr gründlichen Untersuchung derselben geführt und es gab ein paar Tage, an denen ich Angst vor der Diagnose hatte. Ich denke an all die Frauen, die auch diese Angst haben und an die, die keinen guten Befund bekommen. In Gedanken bin ich bei euch und wünsche euch alles Gute!
Das kurze Glück des guten Befunds
Ich habe das immense Glück, abgesehen von ein paar altersgemäßen Abnutzungserscheinungen rundum gesund zu sein! Gesund mit 52, das ist ein Grund zum Feiern und dabei wieder sämtliche Blutwerte nach oben zu jagen. Verrückt, wie schnell wir in unserem Alltag wieder vergessen, wie schön es ist, eine positive Nachricht zu bekommen. Am selben Tag, als ich die gute Nachricht bekomme, habe ich Ärger mit meiner Hausratsversicherung. Sie zahlen etwas nicht, mit dem ich gerechnet hatte und ich bin wütend und frustriert. Hallo? Ich habe gerade ein neues Leben bekommen, wie bei Candy Crush und ich kann nochmal von vorne starten und dabei ärgere ich mich über ein paar verlorene Kröten?
Wenn die Diagnose anders ausgegangen wäre, dann hätte ich Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre damit zu tun. Die positive Nachricht ist ungefähr in drei Tagen halbwegs in Vergessenheit geraten. So als sei es ganz „normal“, dass alles so weitergeht wie zuvor. Vielleicht werde ich jeden Tag ein neues Ritual einführen, als Dankeschön für Gesundheit, Familie, vollen Kühlschrank, Freunde, einen Ort zum Wohnen. Einen Dankestanz am Morgen vielleicht? Oder ich drapiere Blumen und Essen wie in der balinesischen Kultur als Opfergabe an die Götter… Dafür bin ich nicht gläubig genug, befürchte ich.
Die wunderbare Choreografie unseres Körpers
Jedes Haushaltsgerät, was wir kaufen hat eine 2-Jahresgarantie und oft halten die Geräte auch nicht viel länger. Mein Computertechniker hat mir vor kurzem erzählt, es gebe bei den modernen Druckern eingebaute Vorrichtungen, die nach einer gewissen Zahl an Ausdrucken das Gerät kaputtmachen. Unser Körper hält so unglaublich lange! Es gibt Menschen, die 100 Jahre alt werden! Nicht mal die hochwertigste Matratze hat mehr als 10 Jahre Garantie. Ich bin ein halbes Jahrhundert alt und kann denken, dass ich jetzt aufstehen will und mein Körper steht tatsächlich fast zeitgleich auf. Mein Gehirn gibt Impulse in sämtliche Teile meines Körpers und diese tun dann mehr oder weniger, was gefragt ist. Ist das nicht unglaublich?
Nach so vielen Jahren? Ich gehe, ich stehe, ich sitze, ich atme, ich denke, ich fühle, ich singe und manchmal findet alles gleichzeitig statt. Eine wunderbare komplizierte Choreografie, an so vielen Stellen meines Körpers.
Die Weltbevölkerungsuhr tickt schnell
Diese Choreografie findet bei fast 8 Milliarden Menschen auf der Welt gleichzeitig statt und dann gibt es noch die Tierwelt. Ich habe im Internet eine Weltbevölkerungsuhr gefunden, die in Echtzeit die aktuelle Bevölkerungszahl zählt. Im Viertelsekundentakt steigt die Zahl, mir wird schwindelig beim Zuschauen und der Vorstellung, dass in diesem Takt kleine neue Leben entstehen. Wie wunderbar! Es ist die Gesamtzahl der Menschen aufgeführt, männliche und weibliche und die Zahl der Geburten und Toten an diesem Tag. Ich beobachte, dass die Zahl der Toten etwas langsamer steigt als die der Geburten, das ist beruhigend finde ich.
Daneben eine Liste der Top 5 Todesursachen in der Welt. Eine makabre Hitliste! Wow, ich sehe, ich kann auch konkret nach Ländern suchen und ich gebe Spanien und Deutschland ein. In Spanien liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen bei 84,4 Jahren. In Deutschland werden Frauen im Durchschnitt 82,4 Jahre alt. Habe ich mit meinem Auswandern nach Spanien meine Lebenserwartung um 2 Jahre erhöht?
Exzesse und Sonnenbrand
Zurück zu meinem Körper und was ich ihm zugemutet habe im Laufe meines Lebens: Ich habe oft zu viel gesessen oder auch getrunken, mich nicht immer gesund ernährt, ausschweifende Feste gefeiert und hatte so manchen Sonnenbrand als Kind.
Als junge Frau bin ich gereist und dabei Risiken eingegangen, immer mit dem Grundgefühl, mir kann nichts passieren.
Ich habe Schmerzen, Stresssymptome oder Müdigkeit ignoriert und einfach weitergemacht, ohne auf meinen Körper zu hören. Ich fand und finde manche Dinge gut an meinem Körper und andere irgendwie nicht so toll.
Danke!
Jetzt sitze ich hier und fühle Dankbarkeit und Bewunderung für diese unglaublich gut funktionierende Maschine: unser Körper. Natürlich gibt es hier und da ein paar Verschleißerscheinungen und ich ertappe mich dabei, wie ich beim Aufstehen Geräusche mache. Hier und da zwickt es und manchmal muss alles durchgecheckt und nachjustiert werden. In meinem Haushalt gibt es tatsächlich keine Maschine, die so lange Jahre durchhält und funktioniert wie mein Körper.
Ich bin erfüllt von Freude, dieses wertvolle Geschenk in meiner Obhut zu haben und ich hoffe, wir haben noch viele richtig gute Jahre miteinander. Vorerst habe ich mich für den Dankestanz entschieden und werde jetzt zu „Pata Pata“ von Miriam Makeba durch die Wohnung tanzen. In der Küche komme ich am Kühlschrank vorbei und schaue mal, was ich essen könnte im Bereich „nicht wirklich ungesund aber sehr, sehr lecker“.
Anne
Ich kann Deine Erfahrungen die Du mit Deinem Körper erlebst, gut nachfühlen und ich finde es toll, dass am Ende Deiner -Erzählung eine positive Bilanz gezogen werden kann. Es hat wieder mal Spaß gemacht, Deine Story zu lesen. Danke…