Diese Geschichte ist vor 2 Jahren passiert, Leo war 14 und ich denke sie ist inzwischen verjährt: Wildschweine auf dem Schulweg zur Grundschule zu treffen, war Damals keine Seltenheit. Ach ja, obwohl wir in einer großen und wunderbaren nordspanischen Stadt leben, lag die Schule, in die mein Sohn als kleiner Junge gegangen war im Wald.
5 Jugendliche übernachten bei Lane im Wald
Leo ist inzwischen 14 und nachdem er mit Lane und 4 anderen Jungs den Tag verbracht hatte, wollten alle bei Lane übernachten. Da die Mutter Lanes nicht nein sagen kann und noch nicht ahnte, was auf sie zukam, war sie einverstanden. Sicher war auch ein bisschen Nostalgie mit dabei, denn 3 von den 5 Jugendlichen waren zusammen in die wunderbare Waldgrundschule gegangen.
In der Straße, wo sie wohnen gibt es genau 3 Häuser und alle Nachbarn kennen sich gut. Meine Information zu dieser spontanen Übernachtungsidee war nur die Anfrage meines Sohnes:
„Darf ich bei Lane übernachten?“
„Natürlich!“ habe ich geantwortet, schließlich kenne ich die Familie gut und hatte dadurch einen freien Abend, was für ein Luxus!
Einen Tag später, als Leo wieder nach Hause kommt und ich frage wie es war, kommt von meinem Sohn das übliche:
„Gut.“
Ein kaputter Seitenspiegel des Nachbarautos, wer wars?
Einen Tag nach dem Übernachtungsbesuch bekomme ich eine Nachricht der Mutter Lanes: Eine Nachbarin hätte sich beschwert, man habe ihren Seitenspiegel des Autos abgerissen. Ein anderer Nachbar habe nachts eine Gruppe Jugendlicher um die Häuser streunen sehen, ob sie etwas wüsste. An mich gerichtet die Bitte, mit Leo zu sprechen.
Oh je, da waren sie wieder die inneren Alarmleuchten, aber ich will ja niemanden verurteilen bevor ich genaueres weiß, also hole ich meinen Sohn mit den gefürchteten Worten: „Wir müssen reden“ ins Wohnzimmer:
-Was ist passiert in der Nacht bei Lane?
-Nichts.
-Ein Außenspiegel eines Nachbarautos wurde abgerissen, habt ihr etwas damit zu tun?
-Nee.
-Seid ihr nachts noch Draußen unterwegs gewesen?
-Nee.
Meist kann ich meinem Sohn und dem, was er sagt vertrauen, also habe ich die Autospiegelgeschichte erstmal auf Eis gelegt. Leicht alarmiert bin ich auch später noch in Kontakt mit den anderen Müttern, von denen ich 3 gut kenne.
Ich stelle mir eine Mathematikaufgabe vor: An einem Waldrand leben 3 Nachbarn, davon wird einem über Nacht ein Spiegel vom Auto abgerissen. Ein anderer sieht nachts Jugendliche lärmend herumlaufen und ein dritter hat 5 Jugendliche zu Besuch.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines jeden Nachbarn, den Spiegel abgerissen zu haben?
Leider gelogen
Dann ein Anruf von Isa, der Mutter von Roman: Roman hat geredet. Einer der 5 Jungs, habe den Spiegel abgerissen. Ich bekomme nicht die Information wer es war, aber kann noch herausfinden, dass es nicht mein Sohn war.
Dieser ist gerade nicht zu Hause, aber ohne viel mehr zu wissen, ahne ich, dass nichts, was in unserem nächsten Mutter-Sohn Gespräch herauskommen wird, auch nur annährend befriedigend für mich sein wird.
Leo hat gelogen und zwar nicht zu knapp! Wutgefühle mischen sich mit Enttäuschung. Nicht nur, dass sich vor mir die Idee einer kriminellen Laufbahn eröffnet, ich sehe eine Gang von Jugendlichen, die Autos anzünden und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Ich sehe mich, meinen Sohn im Gefängnis besuchen mit seinem Lieblingskuchen, in den ich eine Feile einbacke (an diesen Gedanken merke ich, dass ich alt werde). Nein Stopp keine Feile, im Moment werde ich die letzte sein, die die Verbüßung seiner gerechten Strafe verhindert.
Aber das Schlimmste bei all diesen Phantasien ist die brutale Erkenntnis:
Mein Sohn hat mich angelogen! Er hat auch bei vielen Nachfragen nicht nachgegeben und hat die Solidarität mit seinen Freunden über die Loyalität mit seiner Mutter gestellt. Das tut weh, autsch!
Leo kommt nach Hause. Sofort sieht er, dass die Situation ernst ist, sehr ernst.
Das „Wir müssen reden!“ nur noch zwischen den Zähnen gezischt, kein „Hallo“ vorher, kein „Wie war dein Tag?“
Ich will jetzt alle Details wissen und zwar von Anfang bis zum Ende: Bevor Leo loslegt, versucht er noch herauszubekommen was ich bereits weiß, er hat anscheinend von seiner Mutter gelernt.
Das Wildschwein war Schuld
Das ist die Geschichte: Nachts um 2.00 haben sich die Jungs aus dem Haus geschlichen und sind in den Wald gegangen. Ein Wildschwein hat sie so erschreckt, dass sie auf ein Nachbarsauto gestiegen sind. Dort fing dann einer an, nach dem Außenspiegel zu treten, einfach so, aus Spaß.
Mein Sohn sagt, er habe den Versuch gestartet, diesen verbal zu stoppen, der Freund habe aber nicht abgelassen, bis der Spiegel abgetreten war. Ach ja und dann haben sie sich noch gegenseitig versprochen, nichts davon zu sagen.
Hallo! Nichts davon sagen? Es sind 3 Nachbarn!
Ommmmmm, jetzt erstmal tief durchatmen! Dann über Konsequenzen nachdenken: Der Spiegel wird natürlich von den Jungs bezahlt, ja von allen zusammen, das war bereits mit den Müttern so abgesprochen. Was hat dieser Junge denn für eine Scheißwut in sich, dass er diese so sinnlos herauslässt? Mein Sohn scheint ihn irgendwie zu verstehen und will ihn schützen. Vielleicht auch sozial, den Freund nicht zu verraten, hoffentlich schafft Leo es, die Balance zu finden, solidarisch zu
sein mit den Freunden und sich selber dabei nicht in Gefahr zu bringen…
Hirnlos aber nicht herzlos!
Zufälligerweise habe ich kurz danach mit meinem Schwager telefoniert – Neurologe – der mir gesagt hat, dass alles im grünen Bereich sei. Zusammengefasst und sehr vereinfacht verstehe ich: Das Testosteron macht aus Jugendlichen wilde Hirnlose, die impulsiv Dinge kaputtmachen und daran Spaß haben. Freundschaftssolidarität geht dabei über Mutterloyalität, also alles richtig bei meinem Sohn. Na toll!
Eine enge Freundin, Ärztin für Kinder und Jugendpsychiatrie, die sich selber „Psychotante“ nennt sagt mir: „die Rolle meines Sohnes bei der ganzen „Spiegelabtretgeschichte“ mag hirnlos sein, aber nicht herzlos.“ Mhhh auch ein guter Gedanke, wie schön, solche guten Berater zu haben!
Ich muss zugeben, die Vorstellung der 5 Jugendlichen, die sich nachts aus dem Haus schleichen, in den Wald gehen und dabei auf ein Wildschwein treffen hat auch etwas Komisches! Vermutlich muss man aus der Großstadt kommen, um sich dann auch noch auf ein Autodach zu retten! Alles andere fällt mir schwer nachzuvollziehen, aber es wäre auch verstörend, wenn ich in meinem Alter eine Befürworterin von Autospiegelabtreten wäre. Also lass ich jetzt einfach das Thema und akzeptiere, dass es Dinge gibt, im Leben meines heranwachsenden Sohnes, die bei mir das eine oder andere Fragezeichen hinterlassen. Ein kleiner Schritt im Lernprozess einer Jugendlichen-mamma.
Kleine Jungs, kleine Randale
Dazu fällt mir eine Anekdote ein, als Leo im Kindergarten war, er war gerade knapp 3 Jahre, sein bester Freund war Tom. In der Gruppe war außerdem noch ein sehr wilder Junge, der schubste und haute, was das Zeug hielt. Eines Morgens hatten Leo und Tom die Idee, ihm eine Lektion zu erteilen, die sie sogleich in die Tat umsetzten:
Sie holten mit ihren kleinen Händchen Wasser aus der Kloschüssel, die im Raum war und schütteten das Wasser auf die kleine Schlafmatratze des wilden Schubsers.
Wir Eltern mussten kommen und als die nette Erzieherin freundlich zu den beiden sagte: „Leo, Tom, das geht nicht, anderen Kindern Klowasser auf die Matratze zu schütten!“ sagte mein Sohn mit einem schelmischen Seitenblick zu seinem Freund:
„Ok das nächste Mal nehmen wir Sand!“
Als geschulte Mutter blieb ich ernst, guckte vorwurfsvoll und versuchte das, was die Erzieherin bereits gesagt hatte sicherheitshalber noch zu ergänzen:
„Man schüttet kein Wasser, keinen Sand und auch nichts anderes auf die Matratze eines anderen Kindes!“
Damals hat mein Kind noch gelernt und ich glaube, er hat später nie wieder Wasser, Sand oder anderes Material auf Matratzen anderer Kinder geworfen.
Ob er heute aus der Außenspiegelsituation genauso gut lernt, kann ich euch in ein paar Jahren berichten. Falls er mit 14 immer noch die Logik des 3-jährigen im Kopf hat, wird er einfach nur abspeichern: „Keinen Spiegel an Autos abtreten, das gibt Ärger und ist teuer!“
Ich kann mich vorerst nur wappnen für alle noch folgenden Situationen, die Stück für Stück wieder ein Steinchen im Lernprozess meines jugendlichen Sohnes sein werden.
Fritzchen
Aus Schaden wird man klug.
Ich freue mich auf die nächste Überraschung..
Stefanie Pfeil
Darauf kann ich nur hoffen! 😉