Die „Mona“, eine Ostertradition der Katalanen
Das Osterwochenende ist gerade vorbei. Auf dem Tisch steht noch ein Osternest mit ein paar bunten Eiern darin. Daneben liegt ein kopfloser Osterhase und Reste vom bunten Papier der Schokoladeneier. Die Ostereierfarbe schickt uns jedes Jahr meine Mutter. Manchmal auch die süßen Schaumeier, die ich in Barcelona nicht bekomme.
Hier in Katalonien gibt es die Tradition der „Mona“, die am Ostermontag von den Paten an die Patenkinder verschenkt wird. Die „Mona“ ist ein Kuchen, der mit Eiern, Federn und wunderbaren Schokoladenkunstwerken geschmückt ist. Manchmal stehen obendrauf auch noch Fußballikonen oder Eisprinzessinnen aus Plastik, alles in allem ein bunter Kindertraum! Die kreativeren Paten backen und bauen selber, und alle anderen können in den Konditoreien „Monas“ kaufen, die so schön und kunstvoll sind, dass mir die Vorstellung, dass sie einfach so weggefuttert werden, fast schon leid tut.
Inzwischen gibt es auch hier in jedem Supermarkt bunte Eier und Schokoladenosterhasen, obwohl die traditionelle Eiersuche in Spanien normalerweise nicht stattfindet.
Traditionen und Rituale aus der Heimat
Als ich mit 26 Jahren nach Barcelona kam, war ich überzeugt, dass es nicht sehr viele Traditionen und Rituale aus meiner Heimat gab, die mir wichtig waren. Wenn ich am Strand war und neben mir aus einem Bus deutsche Touristen ausstiegen, gab ich mich meist nicht als Deutsche zu erkennen. Stolz zu sein auf mein Land und meine Kultur, fiel mir damals sehr schwer und ich vermute vielen Menschen aus meiner Generation ging es ähnlich. Heute nach mehr als zwanzig Jahren, die ich im Ausland lebe, merke ich, dass es vieles gibt, was ich an meiner alten Heimat sehr schätze. Hier in Katalonien habe ich gelernt, dass es einen positiven Stolz geben kann auf Sprache und Kultur und auf die eigene Identität.
Ein großes Thema, über das ich hier nur sehr kurz schreibe, denn meine Geschichte handelt von den Ostertraditionen:
Kindheitserinnerung an Ostern: Ostereierweitwurf
Seitdem ich zurückdenken kann, wird in meiner Familie am Ostersonntag nach dem Frühstück ein sehr langer Spaziergang gemacht, auf der Suche nach einer großen saftigen Wiese. In den Taschen haben wir alle mehrere hartgekochte, bunte Ostereier. Am Ziel angelangt, beginnt das Osterritual: In einer Linie formiert, werfen wir nacheinander unsere Ostereier so weit es geht mit dem Ziel, dass sie bei dem Wurf nicht kaputtgehen. Nach jedem Wurf wird überprüft, wessen Ei am weitesten durch die Landschaft gepfeffert wurde. Das Verrückte ist: ein 40m durch die Luft geschmissenes Eiergeschoss kommt tatsächlich manchmal unversehrt auf dem Boden an! Gewinner ist, wer am Ende trotz weiter Würfe immer noch ein unversehrtes Ei hat.
Ostereierweitwurf auf dem Tibidabo
Seit meiner frühesten Kindheit war mir immer klar, dass alle Familien in Deutschland an Ostern diesen Ostereierwurfwettbewerb austragen. Genau so habe ich das Eierwerfen nach meiner Ankunft in Barcelona meinen Freunden hier verkauft: als deutsche Ostertradition! Das Ganze ging so weit, dass ich an meinem ersten Ostern in Barcelona mit Pere und Ramon die Taschen voller hartgekochter bunter Eier loszog, eine geeignete saftige Wiese in Barcelona zu finden.
Wir landeten auf dem Tibidabo, ein Berg mit herrlicher Aussicht auf die Stadt! Stundenlang liefen wir herum in mediterraner wunderbarer steiniger Landschaft, hier und da ein paar Sträucher, aber weit und breit keine saftige Wiese in Sicht. Meine Freunde schlugen bald vor, eine Pause zu machen und die Eier zu frühstücken. So interessant und skurril ihnen meine Ostertradition erschien, waren sie doch gut durch ihr bisheriges Leben ohne diese gekommen.
Dann entdeckte ich die Wiese: Direkt unter dem riesigen Fernsehturm von Norman Foster, war ein kleines Fleckchen Zierrasen gepflanzt. Kurzentschlossen stiegen wir über die Absperrung, um endlich unsere Eier schmeißen zu können. Kullern trifft es wohl eher, was man auf diesem kleinen Stück Wiese mit den Eiern machen konnte. Sehr weich war der Untergrund auch nicht, so dass die Eier sofort bei der ersten Bodenberührung kaputt gingen. Nach wenigen Minuten kam dann auch der Fernsehturmwächter, der sich köstlich über meine absurde Erklärung deutscher Ostertradition amüsierte und uns trotzdem bat, dieses von ihm zu bewachende Grundstück umgehend zu verlassen. Ich war ein bisschen enttäuscht und meine Freunde vermutlich erleichtert, endlich ein Picknick mit den Ostereiern machen zu können. Im darauffolgenden Jahr habe ich noch den Strand als möglichen Wiesenersatz ausprobiert, leider auch mit wenig befriedigendem Ergebnis, da auch dort die Eier sofort kaputtgingen.
Ist meine Ostertradition ein Fake?
Dann kam Max in meinen katalanischen Freundeskreis. Er wohnte zur Untermiete bei Freunden einer französischen Freundin von mir und so lernten wir uns kennen. Als Deutscher im Exil brachte auch er Geschichten und Traditionen aus seiner Heimat mit nach Barcelona. Als sich die Osterzeit näherte, erzählte ich ihm von der Schwierigkeit, eine geeignete Osterwiese zum Eierschmeißen zu finden. Sein Gesicht wurde zu einem großen Fragezeichen. Max behauptete damals, weder selbst Ostereier durch die Luft geschmissen zu haben, noch je von dieser Tradition gehört zu haben! Er ging sogar so weit zu sagen, dass vermutlich nur meine Familie an Ostern Eier durch die Gegend schmeißt.
War meine Kindheit eine Art Truman-Show? Hatte Max tatsächlich Recht und nur meine Familie kannte dieses absurde Ritual?
Inzwischen weiß ich, dass es wenige Regionen in Deutschland gibt, in denen diese Tradition gefeiert wird, das Ganze aber definitiv nicht als gesamtdeutsche Ostertradition gilt. Ein bisschen enttäuscht war ich schon und fühlte mich mit meinen 26 Jahren wie als Kind, als ich entdeckte, dass die Eltern die Weihnachtsgeschenke bringen. Noch stärker war allerdings das Gefühl der Belustigung und auch Stolz, dass meine Familie es schafft, so einem albernen Osterritual nachzugehen und wir alle daran glauben! Ich vermute, meine Schwestern dachten ebenfalls, alle Menschen in Deutschland feiern so Ostern. Jetzt bin ich mir allerdings selbst dessen nicht mehr sicher und mein Truman Show Gefühl wird stärker. War ich die einzige in meiner Familie die nicht wusste, dass nur wir Eierweitwurf machen an Ostern?
Die Stille Post der Traditionen
Meine Freunde hier in Barcelona haben die Episode mit Humor genommen und vermutlich liebevoll unter: „die Pfeil mit ihren komischen Geschichten!“ gespeichert. Im Nachhinein bin ich ganz gerührt, dass ich zwei Freunde gefunden hatte, die bereit waren, einen ganzen Tag lang eine saftige Wiese zu suchen, um ihre deutsche Freundin glücklich zu machen.
Vermutlich gibt es sie doch, meine Heimatidentität, zusammengesetzt aus vielen kleinen Erlebnissen und Erinnerungen meiner Kindheit. Manche davon Familientraditionen und manche Rituale, die auch über meine Familie hinaus für Menschen meiner alten Heimat bedeutungsvoll sind. Wahrscheinlich habe ich ohne es zu merken, mehr als einmal in Barcelona meine Familientraditionen als deutsche Tradition weiterverbreitet. Solange es Dinge, wie das Ostereierwettwerfen betrifft, kann ich aber auch nicht wirklich viel dabei kaputtmachen (höchstens das eine oder andere Ei ;-). Im Gegenteil, wir Deutschen werden noch zu einem richtig bunten, verrückten Völkchen aus Sicht der Barcelonesen. Eine lustige Vorstellung, dass sich bei dem Bild, was wir alle von den unterschiedlichen Kulturen haben, so manche verrückte Familientradition mit hineinmischt. Eine Art „Stille Post“ der Traditionen, wo sich aus vielen Erzählungen verschiedener Menschen wieder ein ganz neues Bild ergibt. Je länger ich inzwischen im Ausland wohne, desto mehr weiß ich, was mich außer Ostereierwerfen noch alles mit meiner alten Heimat verbindet. Ich tue auch nicht mehr so, als würde ich nichts verstehen, wenn mich deutsche Touristen etwas fragen.
Fritzchen
Liebe Stefanie, Die deutsche Osterfest-Tradition: Ostereierweitwurf kann ich nur bestätigen, ich bin auch ein Fan davon. Deine neue Geschichte habe ich mit Vergnügen gelesen und freue mich schon auf die nächste Story. Danke dafür.
Stefanie Pfeil
Oh wie schön, Dann gibt es jetzt mindestens 2 Personen, die diese Ostertradition kennen!