Migrationshinter- und Vordergrund
Mein Sohn ist nicht nur ein deutscher Junge, der in Spanien aufwächst, er hat auch noch einen mosambikanischen Vater, also sozusagen ein Kind mit Migrationshinter- und Vordergrund einer alleinerziehenden Mutter.
Wenn diese Geschichte nicht weitgehend auf wahren Begebenheiten beruhen würde, und ich nicht selber die Autorin wäre, würde ich dieser Autorin jetzt raten, mit ihren Figuren nicht so dick aufzutragen.
Das sagst du nur zu mir, weil ich schwarz bin!
Viele spanischen Kinder haben im Sommer ein ganz ähnliches Braun wie mein Sohn und manchmal kommt es auch vor, dass ich durch viel Fahrradfahren und Schwimmen fast genauso braun werde. Mein Sohn bestreitet das, weil meine Hautfarbe irgendwie nicht cool ist, seine aber schon.
Schwamm drüber! Seit einiger Zeit behauptet mein Sohn, er sei schwarz, was mich und unsere Freunde sehr belustigt, denn er ist es definitiv nicht, jedenfalls nicht sichtbar.
Im Moment hört er allerdings auch den ganzen Tag sehr laut Rap und Trap und ich denke, schwarz zu sein passt da irgendwie gut, vielleicht zählt auch einfach die innere Einstellung. Sein schwarz sein wird jedenfalls immer und überall gegen mich verwendet, zum Beispiel wenn ich ihn bitte, den Tisch abzuräumen.
„Das sagst du nur zu mir, weil ich schwarz bin!“ ist sein Standartsatz. Inzwischen bin ich so weit, dass ich diesen Satz einfach bejahe, das ist am einfachsten, er akzeptiert das und räumt dann den Tisch ab.
Manchmal verwende ich das gleiche Argument auch gegen ihn und sage nach einer Aufforderung etwas im Haushalt zu tun: „du weißt, warum ich dich darum bitte!“ Er grinst dann und versteht die Anspielung. Humor ist das, was uns rettet in dieser Zeit der Jugend meines Sohnes.
Bronxrap
Ich dachte, mit diesen kleinen Scherzen sei das Thema, einen schwarzen Sohn zu haben erledigt, aber seit Neuestem rappt mein Sohn in seinem Zimmer und da wir eine kleine Wohnung haben, kann ich mithören.
In seinen Texten ist er als Schwarzer in der Bronx geboren und kommt aus einer total kriminellen Verbrecherfamilie, von der ein Teil bereits verstorben ist. Vermutlich wieder einmal die Mutter! Mord, Totschlag und Vergewaltigung musste er bereits als Kind mitansehen in seinen Texten. Wo war ich, als ihm all das passierte?
Wenn er mit seinen Multi Kulti Freunden unterwegs ist und sie andere Jugendliche kennenlernen, sagen sie, sie seien aus dem Raval, was ungefähr der Bronx entsprechen würde. Warum will mein Sohn unbedingt aus einer total zerrütteten Familie stammen und warum braucht er in seiner Fantasie dieses krasse Umfeld?
Ist das vergleichbar mit der Sehnsucht meiner Jugendzeit, in der wir Poster von James Dean angehimmelt haben, der immer unverstanden von seinem Vater litt (jedenfalls im Film), um dann mit nur 24 Jahren bei einem Autounfall viel zu früh zu sterben?
Habe ich mit der Trennung mit seinem Vater als mein Sohn 5 war, dieses innere Drama verursacht? Ist sein Schicksal vielleicht wirklich so traurig?
Oder ist es doch vielleicht die Sehnsucht nach einem aufregenden Leben am Rande der Gesellschaft eines behüteten Jungen, der noch mit 15 das Schulbrot von Mama im Rucksack trägt? Der Taschengeld hat und nachmittags Theater und Basketball spielt und in einem Musical Chor singt?
Ich hoffe, es ist das zweite, das macht irgendwie mehr Sinn. Ich hoffe auch, dass mein Sohn bei dem vielen Bronxgerede immer noch weiß, wo er wirklich herkommt und insgeheim hoffe ich auch, dass er die Jugend übersteht, ohne mal aus Versehen im Gefängnis zu landen, einfach weil er denkt, da gehöre er hin…
Vielleicht hat die Bronxgeschichte auch gar nichts mit unserem Leben hier zu tun, sondern eher mit dem abwesenden Vater? Wie wäre das wohl für Leo: ein Vater, der hier ist, wenn er ihn braucht einer, mit dem er sich boxen kann und albern sein, sich über Videospiele austauschen und Longboard fahren. Einer, mit dem er solidarisch gegen seine Mutter sein könnte. Halt halt, hier geht meine Fantasie mit mir durch. Auch für mich ist das irgendwie eine gute Vorstellung! in meiner Idealfantasie würde sich dieser Vater allerdings mit mir verbünden bzw. mich verteidigen im gemeinsamen Elternboot.
Ein erwachsener Mensch im Haus, auch das klingt irgendwie gut für mich, jemand der die schweren Einkäufe macht und auch mal kocht und dazu noch sehr lecker! Einer, der in ganzen Sätzen spricht, wow!
Tja so ein Papa und Partner ist erstmal nicht direkt hier um die Ecke und vermutlich vermisst Leo das auch. Leider wohnt sein Vater weit weg und ich kann ihm all das nicht bieten, vermutlich ist das seine Bronxgeschichte. Hmm, sollte ich auch das rappen anfangen?
Superhelden im Kleinkindalter
Vielleicht ist die Abenteuersehnsucht auch ganz tief in ihm verankert, denn er war bereits als ganz kleiner Kerl ein großer Fan von Superhelden. Als im Kindergarten die Kinder ihre erste Kobold- und Feenverkleidung ausprobierten, hatte mein Sohn bereits sämtliche Superheldenverkleidungen hinter sich. Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er mit 3 Jahren im Batmankostüm tanzt und dazu „I like to move it, move it“ singt.
In der Zeit war es immer schwer ihn zu filmen, denn er wollte den Film immer schon anschauen, bevor er aufgenommen war. Er war schon immer seiner Zeit voraus. Und ein Gangsterrapper bereits mit 3 Jahren!
Susan
Bravo Steffi!
Stefanie Pfeil
vielen Dank Susan!
Jennifer
Super Steffi, ich habe deine Geschichten mit einem Grinsen im Gesicht gelesen und kann mir Euch beide bildhaft vorstellen. Freue mich auf Fortsetzung.
Stefanie Pfeil
das freut mich sehr Jennifer! In ein paar Tagen gibt es neue Geschichten