Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Kolumne: Morgens siehst du aus wie ein toter Clown!

Den Jakobsweg gehen? Die verrückten Ideen eines Jugendlichen

Es ist 7.00 und mein Wecker klingelt. Ich war bereits wach von dem Wecker meines Sohnes, der seit ein paar Tagen um 6.00 vor der Schule aufsteht, freiwillig!

Dann fährt er mit dem Rad ins “Gym”. Das „Gym“ ist eine Art Fitnessstudio, wobei hier in Spanien diese „Gyms“ meist alles haben: Schwimmbad, Fitness-, Sport- und Tanzkurse und natürlich auch Geräte für Fitness und Muskelaufbau.

Fitness vor der Schule!

Leo trifft sich dort mit einem Freund und sie machen eine Stunde Fitness vor der Schule. Ich merke beim Schreiben, es ist mir völlig unmöglich, diese Aktion mit meinem Sohn zu verbinden. Der Sohn, der zu Hause gerne in der Horizontalen liegt, steht eine Stunde vor der Schule auf, kommt dann zum Frühstücken und eilt in die Schule. Abends ist er dann total früh müde und geht schlafen. Auf mein Nachfragen sagt er: „Das ist total cool, ich fühl mich dann richtig fit und wach in der Schule!“

Was ist passiert? Haben Außerirdische meinen Sohn ausgetauscht und ich habe es nicht gemerkt? Ich schaue in sein Zimmer und sehe, der Boden ist voller hingeschmissener Klamotten, die Schubladen offen, Staub auf den Regalen. Zwei verkrustete Müslischalen stehen auf dem Schreibtisch, daneben eine Bananenschale. Ja, es ist Leo, mein Sohn, die Außerirdischentheorie fällt somit weg.

Vielleicht ist es eine Phase und in 3 Tagen schläft er wieder bis zum letzten Moment, um dann in die Schule zu eilen. Oder er bleibt tatsächlich länger dabei, ich schaue fasziniert zu und bin beeindruckt!

Ich will den Jakobsweg laufen

Gestern Abend kommt Leo nach Hause und fragt mich beim Reinkommen:

„Mama ich will an Ostern den Jakobsweg mit einem Freund laufen, ist das ok?“

Ich frage nach:

„Den Pilgerweg in Nordspanien willst du mit einem Freund gehen? Machst du Witze? Und welcher Freund?“

„Na mit Jordi, mit dem ich in letzter Zeit viel mache, der mit dem katalanischen Vater und der rumänischen Mutter.“

Keine Ahnung, wer Jordi ist, aber jede Woche kommen Namen dazu, andere fallen weg, vermutlich hatte ich bereits von ihm gehört.

Bei Leo gibt es manchmal wöchentlich neue beste Freunde und ich komme da einfach nicht mit.

Zurück zum Thema: MEIN SOHN WILL DEN JAKOBSWEG LAUFEN!!! Ich bin sprachlos! Dieser Sohn, der Spaziergänge hasst und sogar bei einem Opa- und Omabesuch nur mit anschließendem Restaurantbesuch zu einem gemeinsamen Spaziergang vom Sofa aufsteht.

Seit Jahren denke ich, dass ich irgendwann gerne ein Stück des Jakobswegs laufen will. Ich verbinde diese Aktion mit „in mich gehen“ und Wandern in Verbindung mit vielen anderen älteren Menschen, die auf der Suche nach ihrem inneren Frieden sind.

Das Bild meines Sohnes taucht vor meinem Auge auf: Ich sehe zwei Jugendliche mit lauter Rapmusik, offenen Turnschuhen, die nach 3km finden, sie seien ganz schön viel gelaufen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie am ersten Tag viel zu lange laufen und dann die Füße voller Blasen erstmal 5 Tage Pause machen müssen.

„Na und?“ denke ich, das sind doch alles prima Erfahrungen.

Innere Türen öffnen als Mutter

An meinen Gedanken merke ich auch: irgendwie unterschätze ich meinen Sohn gerade. 5 Jahre Pubertät haben Spuren bei mir als Mutter hinterlassen. Ist es an der Zeit, innerlich Türen zu öffnen für eine neue Betrachtung meines Sohnes? Ich bin mir nicht sicher, ob er in einer Woche immer noch vorhat, den Jakobsweg zu gehen. Vielleicht kommt er auch plötzlich mit der Idee, eine Woche im Kloster zu verbringen, Rettungsschwimmer zu werden oder an einer Expedition in der Antarktis teilzunehmen.

Ich hatte bereits erwähnt, dass er gerade sehr impulsorientiert ist, wie so viele Jugendliche in seinem Alter. Vielleicht hat die Pandemie viele dieser Impulse unterdrückt. Jetzt gibt es wieder freiere Bahn dafür und jede Woche kommt Leo mit neuen Ideen und Projekten. Ich freue mich daran, und versuche offener zu sein und alle diese vielen Projekte erstmal anzunehmen, ohne sie gleich mit meinem kritischen Mamablick abzuwerten.

Leo ist wieder ein bisschen älter geworden. Wie schön.

Der Jakobsweg an Ostern geht leider nicht, denn da ist eine Woche Papabesuch geplant. Im Sommer wäre das aber kein Problem, bespreche ich gestern mit Leo.

Heute habe ich ihn beim Frühstück gefragt:

„Soll ich dir denn zum Geburtstag ein paar richtig gute Wanderschuhe schenken?

Bei den langen Strecken beim Jakobsweg braucht man die schon.“

„Ach, lass erstmal“, sagt mein Sohn,

„Im Sommer ist uns das zu heiß!“

Manche Ideen und Pläne werden vielleicht wahr und andere nicht. Ich gehe dabei ein Schrittchen zurück und schau mir das alles mit einem Lächeln im Gesicht und großer Neugier an. Was für ein Geschenk!

  1. Fritzchen

    Spannende Geschichte, wir warten auf die Fortsetzung!

  2. Fritzchen

    Deine wahre Geschichte aus Deiner Studienzeit hat mich sehr amüsiert. Mach weiter so, dann habe ich bald ein Buch mit vielen Erzählungen von Dir zusammen. Das lass ich mir dann binden! Bis bald

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