Aus dem Leben einer Mutter im Süden

Pfeilsenderstories

Autodiebstahl und andere kriminelle Versehen

Heute habe ich den Podcast von Anke Engelke und Kristian Thees: „Wie war der Tag Liebling?“gehört, den ich euch allen sehr empfehlen kann!

Eine Leserin wäre beinahe in ein fremdes Auto gestiegen und Anke kommentierte dazu, das ginge ja nicht, ohne die richtigen Schlüssel.

Uniabschlussstress in Kassel

Da fiel mir meine Geschichte ein. Vor meiner Barcelonazeit lebte ich in Kassel und war im Studienabschlussstress. Landschaftsarchitektur studierte ich damals, lange ist es her!

Da ich ein selbstgebautes Modell eines Stadtplatzes im Park transportieren musste, hatte ich mir das Auto meines damaligen Freundes geliehen. Ein sehr alter Golf, der immer etwas länger brauchte, um anzuspringen. Mit meinem Arbeitsmodell auf der Hutablage parkte ich kurz, um ein paar Besorgungen zu machen, und dann zur Uni weiterzufahren. Dort hatte ich eine Art Abschlusspräsentation meines Entwurfes. Als ich wieder in den Golf einsteigen wollte, war die Tür wie immer schwer zu öffnen und fluchend setzte ich alle meine Kraft ein, die Fahrertür aufzuschließen. Endlich, geschafft!

Nach dem dritten Versuch starte ich den Wagen in Richtung Universität, ein Blick auf die Uhr: ja ich werde es noch rechtzeitig schaffen, ein Glück.

Huch, wo ist das Autoradio?

Kennt ihr noch die Autoradios aus den 80ern? Mit Kassettenteil? Ich wollte Musik hören, meine Hand reichte dahin, wo ich das Autoradio vermutete und griff ins Leere. Kurz schaute ich auf die Armaturen. Da, wo vorher das Autoradio mit Kassettenteil war, war jetzt gar nichts. Brauner Filz. Häh? Mein Gehirn konnte erstmal die Information nicht verarbeiten. Ist das Autoradio geklaut worden und kein Loch da, wo es vorher war?

Ich fuhr langsam und schaute nach hinten. Da sah ich es: Mein selbstgebautes Modell war ebenfalls weg! Gestohlen wie das Kassettenteil. Aber wer hätte Interesse an meinem Studienabschlussmodell? Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich fuhr jetzt ganz langsam und schaute mich weiter im Auto um. Die Sitze hatten eine andere Farbe und hinten lag ein Pullover, der weder mir noch dem Autobesitzer gehörte.

Langsam bekam ich die Gewissheit: Ich bin im falschen Auto! Ich habe soeben aus Versehen ein Auto gestohlen! Wie soll ich das erklären?

Buf, das ist nochmal gutgegangen!

Panisch drehte ich um, in der Hoffnung, das Auto wieder unauffällig an seinen Platz stellen zu können. In wenigen Minuten war ich an der gleichen Stelle und sah bereits von Weitem den grünen Golf unberührt von der ganzen Situation auf dem Parkplatz stehen. Der Platz davor war leer und ich parkte, einer Panikattacke nahe, ein. Zwei alte grüne Golfs hintereinander, exakt die gleiche Farbe. Ich meine sogar die Beulen waren an denselben Stellen, aber hier irre ich mich möglicherweise.

Niemand war da. Ich schloss den Wagen ab. Mit zitternden Knien ging ich zu dem richtigen Auto und schaute mich um. Was macht man in solchen Situationen? Warten bis jemand kommt und sagen: Entschuldigung, ich habe vorhin aus Versehen ihr Auto gestohlen? Wer glaubt einem das?

Ich war jung und ich hatte einen Termin an der Uni, also bin ich völlig verschwitzt mit dem richtigen Auto an die Uni gefahren. Ich glaube, ich kam sogar noch rechtzeitig. Der Platz, den ich entworfen hatte, wurde nie gebaut, aber ich denke, das lag nicht an meinem versehentlichen Autodiebstahl. Die Beziehung mit dem Autobesitzer ging dann auch zu Ende, aber auch da sehe ich keinen direkten Zusammenhang.

In der Ruhe liegt die Kraft

Wobei dieser damalige Partner tatsächlich einiges an Geduld mitbringen musste, denn es gab noch eine Situation, in der sein Auto eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Es muss in dieser Zeit gewesen sein, Abschlussprüfungen im Studium, Sommer in Kassel und ich wollte sehr eilig zu einer mündlichen Prüfung einer Freundin fahren. Zwischen eigenen Prüfungen und denen meiner Freunde schlief ich damals wenig und war vermutlich ziemlich gestresst.

Mein Programm an diesem Tag war: Tanken, zur Uni fahren und danach Blumen kaufen für die Freundin und mit ihr und anderen ihren Abschluss zu feiern. Ich hatte in der WG des Autobesitzers übernachtet und fuhr sehr früh los, in der WG schliefen alle noch. Nach dem Tanken schaffte ich es rechtzeitig zur Abschlussprüfung der Freundin und fuhr danach in den Blumenladen. Dort bezahlte ich mit einem 50DM-Schein. Für die jüngeren Leser/Innen: D-Mark war in Deutschland die Währung vor dem Euro. Ich hole also einen 50DM Schein aus meinem Portemonnaie und denke: komisch, heute Morgen bin ich mit 50DM im Portemonnaie aus dem Haus gegangen, habe getankt und jetzt sind immer noch 50DM in meinem Geldbeutel.

Die Polizei war schneller als ich

Was war passiert? Mir wurde plötzlich heiß und kalt zugleich und mein Herz rutschte mir in die Hose. Nee, das kann nicht sein! Hatte ich nicht gezahlt nach dem Tanken? Habe ich getankt und bin einfach so in Seelenruhe weggefahren? Oh Gottogott, jaaaaaaaaa! Mit dem Blumenstrauß in der Hand, den ich noch schnell bezahlt habe, rannte ich zum Auto. Damals gab es noch keine Handys, das heißt, ich konnte dem Autobesitzer nicht mitteilen, was passiert war. Als erstes steuerte ich die Tankstelle an. Was soll ich sagen: Guten Morgen, ich habe vor 2 Stunden hier getankt und aus Versehen nicht bezahlt? Oh je, das klingt nicht wirklich glaubwürdig…

Tief durchatmen, nimm all deinen Mut zusammen und stell dich der Situation:

„Äh hallo, guten Morgen, ich habe vorhin hier getankt und bin einfach so weggefahren, ohne zu bezahlen. Glauben Sie mir, es war keine Absicht und ich würde jetzt gerne bezahlen.“

Eine ältere Dame antwortet mir wütend:

„Jaja, zahlen vergessen, das kommt hier öfter mal vor, das glauben sie ja wohl selber nicht! Sie kommen doch auch nur zurück, weil wir ihr Nummernschild hatten und sie längst bei der Polizei angezeigt haben. Das wird noch folgen haben für Sie, junge Dame!“

Polizei, angezeigt? Oh je, das wird ja immer besser. Schnell bezahlte ich meine Tankschulden, entschuldigte mich und raste zurück in die WG meines damaligen Freundes. Hoffentlich konnte ich ihm alles erklären, bevor die Polizei kam. Vor dem Haus sah ich bereits das Polizeiauto stehen. Im Hauseingang zeigte sich mir dann das traurige Bild: Mein Freund stand im Schlafanzug völlig verdutzt vor zwei Polizisten, die ihn ausfragten, ich sah an seinem Gesicht: Er wusste von nichts. Aus den anderen Zimmern schauten verschlafene Gesichter.

Ich kam völlig außer Atem mit einem Blumenstrauß in der Hand durch die Tür und erklärte den Polizisten die Situation. Im Nachhinein betrachtet war das vermutlich eine recht verwirrende Geschichte mit vielen unnötigen Details. So wie eine Studentin, die sich bereits im Gefängnis sieht, eine Geschichte erzählt eben. Umso erstaunlicher, dass die Polizei mir alles glaubte!  Sie erklärten mir, dass die Tankstelle letztendlich entscheidet, ob sie Strafanzeige gegen mich erstatten oder nicht. Wenn ja, würde das eine zusätzliche Geldstrafe bedeuten. Bei all den ernsten Dingen, die mir die Polizei sagte, merkte ich einen Hauch von Belustigung in den Gesichtern der beiden. Vielleicht auch Mitleid mit dem Autobesitzer im Schlafanzug und der verpeilten Studentin mit dem Blumenstrauß in der Hand.

Die Blumen habe ich dann bei der Tankstelle vorbeigebracht, zusammen mit ungefähr 10 weiteren Entschuldigungsversuchen. Ich hatte das große Glück, dass sie die Anzeige später zurückgezogen haben. Zur Feier meiner Freundin bin ich etwas später gekommen, diesmal mit dem Fahrrad und anderen Blumen.

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